Kritik

Christian Wildhagen in der NZZ:
So machen es nicht alle.
Musikkritik vom Feinsten

Selbst wenn angeblich «Männer auch nicht mehr das Wahre seien» und «Das Drama weiter gehe», so sind doch zwei Kritiken in der NZZ in einem Hochton der Begeisterung gehalten, dass man im ersten Moment glaubt, nicht richtig gelesen zu haben.

Kein giftiger Verriss, keine höhnische Schelte, im Gegenteil, multiple Lautationes über die Inszenierung der Richard Strauss Oper «Elektra» und jener von Mozarts «Così fan tutte» an den Salzburger Festspielen.

Christian Wildhagen schürft, nach ein paar nicht dringend notwendigen, kulturpolitischen accompagnamenti über coronar pandemiekonforme Problemstellungen auf der Bühne, dies versiert im Umfeld der Oper «Elektra» - unter der Stabführung von Franz Welser-Möst mit den Wiener Philharmonikern - in Adjektiven wie «hochdramatisch, klug, kongenial».

Die Titelpartie sei zudem «mörderisch», und die Sängerin ihr «konditionell gewachsen». Tutti seien «nicht einfach laut, sie atmeten vielmehr und haben dennoch Kraft.» Wildhagen lobt die Singenden, das Orchester und den stets souveränen Dirigenten über den vierblättrigen Klee. Kurz: Man wäre gerne dabei gewesen.

Ähnlich hymnische Gesänge des gleichen Rezensenten dann für Mozart, für den Evergreen und Longseller in Salzburg, den fast alle machen, verbunden mit der neckischen Frage nach dem «spezifisch weiblichen» Blick auf die Musik? Weiblicher Blick? Was soll das denn sein? Eine feminine Retina? Eine Östrogen-Optik.

Ach so. Verzeihung. Die Wiener Philharmoniker dirigiert eine Frau, Joana Mallwitz. Na und? Wenn sie’s kann. Herr Wildhagen schreibt das zu Recht so: «Was also sollten Sexus und Gender mit der in erster Linie hochgeistigen Ausübung von Kunst zu tun haben?» Ja genau, was denn?

Und offenbar kann Frau Mallwitz es. Und das in der «traditionell extrem dünnen Salzburger Höhenluft». Der Kritiker spricht ihr «souveräne Werkkenntnis und klarem Gestaltungswillen» zu. Ferner ein «lichtes Klangbild» und «fast schwerelose Artikulation».

Er rühmt dann, offenbar mit Fug und Recht, die Sängerinnen und vergisst die Sänger nicht, wie es sich eben gehört. Und das Publikum habe es zu «einhelligem Jubel hingerissen. Und Salzburg hat nach der grandiosen «Elektra» schon seinen zweiten Operntriumph in diesem besonderen Sommer.» Also, nichts wie hin, dem Covidius trotzen. Und das ohne Ironie und Schmäh.


Kommentare (1)

Werner Keller am 07.08.2020 18:15

Musikkritik vom Feinsten? Für mich eher ein verkapptes gleichheitsrhetorisches Geschwurbel über das Dirigat von Frau Mallwitz auf Kosten einer kompetenten Interpretationsanalyse. Und wie die extrem dünne Höhenluft die Leistung der Bergsteiger schmälert, so geht es auch vielen Dirigenten (Männlein wie Weiblein)
auf der Höhe von Mozarts Partituren. Und leider merken es viele Zuhörer auch nicht. Das Dirigat und die Sänger waren in Ordnung, aber meilenweit von einer Sternstunde entfernt. Die Dirigentin hat noch einen weiten Weg vor sich, um zu den ganz grossen und bewegenden Mozart-Interpretinnen wie Maria Pires oder Mitsuko Uchida aufzuschliessen.

Die Sprachecke

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