Kritik

Eine Philippika gegen verbale Xenophobie

Man könnte es auch eine Apologie für die Internationale der Sprache nennen. Oder wenn Sie wollen, auch von einem Plädoyer für ein verbales Schengen-Abkommen sprechen. Was aber nicht bedeuten will, dass wir jedes beliebige Wort passieren lassen sollen.

Hin und zuwider kriege ich es zu hören: «Du mit deinen ewigen Fremdwörtern. Man braucht ein Lexikon, will man dein Geschreibe verstehen.»

Also einmal abgesehen davon, dass «ewig» etwas exzessiv wirkt, und «Geschreibe» eine pejorative (Absicht, non cher!) Unfreundlichkeit ist, gebe ich zu bedenken, dass es eigentlich keine Fremdwörter, sondern nur fremde oder befremdende Wörter und Texte gibt. 

Dennoch verdient das unendliche Weh und Ach der Kläger über den hypertrophen (Uups, ich hab’s wieder getan.) Gebrauch von sogenannten Fremdwörtern eine Schmerztherapie. Und gleich nachgeliefert seien den germanophilen Fana-tikern ins Vademekum (Macht einfach Freude.) ein paar Notate. Mal Klartext: Dieses allseits  träge Abwehrgetue gegen Fremdwörter hat etwas pfahlbürgerlich-vollpfostig Beschränktes an sich, nach dem Wahlspruch: «Was der Spiesser nicht schon kennt, dafür er gar nicht erst rennt.»


Oder im Idiom der sprachlichen Internationale: Dieses Defensivverhalten ist symptomatisch für die 
Abderiten von Seldwyla(Bitte googeln, ihr Sofakartoffeln!)

Und wenn wir schon dabei sind: Was kümmern uns Eure Idiosynkrasien? (Tolles Wort, oder?) Wenn ihr unbedingt den Rasen als «Grünfläche» bezeichnen wollt, bitte sehr. Oder wenn man die Crème Chantilly als «Schlachobers» benennen will, nichts dagegen. Aber elegant klingt das nicht.

Das alles scheint sich aus einer grossinquisi-torischen Gegenströmung entwickelt zu habenn die sich (Zitat NZZ-Redaktor René Zeyer) «für die Reinheit der deutschen Sprache starkmachte. Sie erfand sinnvolle Eindeutschungen wie Abstand für Distanz, Bücherei für Bibliothek oder Leidenschaft für Passion. Andere Versuche, wie Meuchelpuffer für Pistole oder Geistesanbau für Kultur, vermochten sich hingegen nicht durchzusetzen. Der Dichterfürst Goethe machte sich über solche Bemühungen lustig: ‹Nun sage doch, 

Freund, wie man Pedant uns verdeutscht.› Denn Pedanten versuchen sich an Absurditäten bis hin zu Viertopfzerknalltreibling, Ersatz für den Vierzylinder-explosionsmotor.»

Denn wie gesagt: Elegant und angemessen klingt das deutsche Pendant nicht immer. Und da sind wir beim Kern der Sache. Ich ziehe dem sogenannten deutschen Begriff das sogenannte Fremdwort dort vor, wo es kälter, geschliffener, somit präziser, konziser, kraftvoller oder geschmeidiger ist.

Also: Psychogen statt seelisch bedingt, pathologisch statt krankhaft, poetisch statt dichterisch. Alsdann in diesem Sinne: Allons enfants à la recherche du mot juste.


Kommentare (4)

Georges Ramstein am 27.06.2020 17:03

Wie wär's mit Bahnübergangsabschrankungssperrbalken anstelle von Barriere ? Oder Bequemlichkeitskleinschrank anstelle Kommode ? Oder Seebebenfolge-grosswelle anstelle Tsunami ? Oder Drehtrommelhandfeuerwaffe anstelle Revolver ?

Gustav Adolf Lang am 25.06.2020 11:08

Da versuchte ich eben, die neuste Nummer von m&k (6-7/2020), das Magazin für Marketing und Kommunikation, zu lesen. Ohne Wertung: Schätzungsweise 95 Prozent der Fachausdrücke - die meisten nicht ohne weiteres einsichtbar - waren eben US-angelsächsisch. Eine für Betagte also keine einfache und verständliche Lektüre.

Fritz Kamer am 20.06.2020 16:08

Es gibt aber auch amüsante (!) Verdeutschungen, die sich nicht durchsetzen konnten, wie Schlauchapfel für Banane oder Nachtsportanzug für Pijama.

Pirmin Meier am 20.06.2020 07:35

"Viertopfzerknalltreibling", eine monströse Verdeutschung freilich bereits im Trend (Vorsicht Fremdwort) der im Barock aufgekommenen Sprachgesell-schaften, denen schon das Wort "Fenster" zu viel war, weil aus dem Lateinischen kommend: Man griff dann zu "Windluk" oder ähnlichem, wobei jedoch die Fenster bei Wind eher hätten geschlossen sein sollen.

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