Kritik
«Was bloss sage ich jetzt?»
Verlegenheits-Banalitäten?
Ich nenne sie die «Pontifix-Sätze». Nicht Pontifex. Mit der Sedia Santa zu Rom hat das nichts zu tun. Sondern mit dem Umstand, dass man manchmal einfach nichts Substantielles zu sagen weiss. Und auf eine Ersatzbrücke (pons, pontis, etc.) angewiesen ist, um das Gespräch am Laufen zu halten.
Ein paar Beispiele zu Diensten? Nützen sie nichts, so schaden sie nichts. Hoppla, das war schon eins.
Alsdann: «Es gibt nichts, was es nicht gibt.» Und das, obwohl wir wissen, dass es Dinge gibt, die es nicht gibt. Zum Beispiel extrem schweigsame Zürcher. Oder pampig maulfaule Basler. Gut, das kann man verstehen. «Von nichts kommt nichts.» Und wenn doch. Dann «ist weniger manchmal mehr.»
Nun ja. «Das kann jeder sagen.» Da bin ich mir aber nicht immer sicher. So etwa beim Hundebesitzer-Klassiker. Den Satz sollte er besser bleiben lassen. «Keine Angst, er beisst nicht.» Meine Antwort: «Ich auch nicht.»
Dann gibt es noch die kommunikativen Abtörner wie «Ja, aber». Sehr beliebt in der herrschenden Klasse der angeblichen Führungskräfte. Genauso starrsinnig wirkt «Da kann ja jeder kommen.» Oder «Das hast jetzt aber du gesagt.» Meine Antwort: «Ja sicher. Ist ausser dir sonst noch jemand hier?»
Zum Schluss noch eine rhetorische Todsünde am Ende des Referates: «So, das wär’s gewesen.» Ich denke sofort: Und was kommt jetzt, wenn’s bloss das gewesen wäre? Also aufgemerkt, Zöglinge des Demosthenes.
Es heisst: «So, das ist’s gewesen.» Das Leben findet nicht im Konjunktiv statt. Wobei ich mir da bei den Esoterikern und Hellsehern nicht ganz sicher bin. Sicher ist nur: Man sollte sich diese Pontifixierungen abgewöhnen. «Das leckt keine Geiss weg.»
Eine Preziose in der AZ unter KULTUR
In der Kunsthalle Ziegelhütte sind Bilderteppiche und «berührende Textilien» zu sehen. Und eine Headline zu lesen: «Diese Teppiche gehen unter die Haut.»
Rührig, was so ein eine Vernis-sage-Tippse an fadenscheinigen Metaphern da zusammenge-braut hat. Also bitte: Teppiche ziehe ich, statt unter der Haut, im Wohnzimmer vor, wenn überhaupt. Und «berührende Textilien» nur dann, wenn der Pullover nicht kratzt.
Und dann sind da noch diese «anonymen Köpfe, die keine Lebensgeschichten verraten.» Dafür aber «den Blick auf ein Inneres, auf eine unverstellte Seele.»
Wie bitte? Dann gibt es wohl auch verstellte Seelen im halbleeren Tassenschrank? «Das berührt tief. Bis unter die Haut.» Nein tut es nicht. Hoch-tongeschreibe tut es nie. Das wirkt weder intravenös noch subkutan.
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Kommentare (1)
Phrasen-, Zitat-, Sprichwort- und Redensarten-Drescherei sind – zusammen mit Suggestivfragerei – ein gut funktionierendes Rezept für erfolgreiche Schnorrer. Mit der Taktik 'Rede viel und sage wenig' quatschen sich vor allem Politiker ans Ruder. Loriot und Dieter Hildebrandt waren der Sache auf der Spur und Meister im Verfassen satirischer nichtssagender Texte.
Alles klar soweit?