Kritik

Macht philosophieren glücklich?

«Philosophieren macht glücklich.» Etwas apodiktisch ist diese Hypothese von Frau Rohland und von Herrn Hoffmann ja schon. Und sollte man als gewiefter Dialektiker nicht auch die Antithese riskieren: «Philosophieren macht unglücklich»?

Aber bitte, jetzt der Reihe nach: Wer um alles in der Welt sind Frau Rohland und Herr Hoffmann? Beide sehen sich als Philosophen auf den individuellen und kollektiven «Fährten des Glücks», denen sie im Kulturclub Dampfschiff bei Suppe und Brot gruppendynamisch nachspüren.

Folglich scheint das eine Lebenshilfe der AZ aus dem Hause Wanner zu sein. Das hat soeben auch den kaiserlichen Vollidioten-Sender 3+ übernommen, also «Bauer ledig ...», «The Bachelor», den «Restauranttester» und andere seichte Allotria mehr. Ausnahme: «Big Bang Theory».

Also neu ist das nicht. Schon der Neuplatoniker Boëthius hat im 6. Jahrhundert versucht, «Trost in der Philosophie» (Consolatio philosophiae) zu finden. Da er sich aber in die hohe Politik eingemischt hatte, wurde er als Hochverräter verhaftet, verurteilt und hingerichtet. Soviel zum Glück im realen Leben.

Philosophieren im Verbund und im Verband ist gewiss lobenswert, wohl aber auch abhängig von der geistigen Verfassung des Publikums. Nun gut, ein bisschen über Leben und Glück nachzudenken, warum nicht? Das ginge auch zuhause. Ist neben dem Rummel und Getöse der privaten Medien sicher sinnvoll und effizienter.

Dort dann zu erkennen, dass schon viel gewonnen ist, wenn es gelingt, Unglück zu vermeiden, statt der Chimäre Glück mit Rezepturen aus der privaten Kräuterküche des Alltäglichen nachzurennen. Siehe Pascals Stubenhockergebot.

Oder Schopenhauer. Er sagt: «Ist sonach der Charakter der ersten Lebenshälfte unbefriedigte Sehnsucht nach Glück, so ist der der zweiten Besorgnis vor Unglück. Denn mit ihr ist, mehr oder weniger deutlich, die Erkenntnis eingetreten, daß alles Glück chimärisch sei.»

Und für die beiden Amateure der Weisheit noch eine leicht antimissionärrische Botschaft: «Wer auf die Welt gekommen ist, sie ernstlich und in den wichtigsten Dingen zu belehren, der kann von Glück sagen, wenn er mit heiler Haut davon kommt.» Auch von Schopenhauer.

Folglich heisst meine Synthese: «Philosophieren macht weder glücklich noch unglücklich, sondern bestenfalls, wenn wir Glück haben, etwas klüger und schweigsamer.»


Kommentare (1)

Valentin Trentin am 19.10.2019 13:17

Nachtrag zum Artikel «Greta Thunberg und das Ende»
«Der Tag wird kommen, da dieses Universum und die Natur selbst erloschen sein werden. Und wie von den einstigen Reichen der Menschen und ihren wunder-baren Errungenschaften, die zu ihrer Zeit hochberühmt waren, heute kein Anzeichen mehr zu sehen und keine Kunde zu hören ist, so wird von der ganzen Welt und den unzähligen Wechselfällen und Katastrophen der geschaffenen Dinge keine Spur bleiben; nur nacktes Schweigen und tiefste Ruhe werden den unendlichen Raum erfüllen. Und so wird das wunderbare und schreckliche Geheimnis des universellen Seins, bevor es erklärt und begriffen worden ist, sich auflösen und vergehen.»
Giacomo Leopardi: Zitat aus «Die Krähen des urigen Hahns»

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