Querbeet

General-Anzeiger Brugg und Rundschau:
«Querbeet» vom 23. März 2023
«Sportler des Jahres»

Eines ist sicher: Sportler des Jahres, wie zum Beispiel im Jahre 1948 der Tennisspieler Gottfried Alexander Maximilian Walter Kurt Freiherr von Cramm, werde ich nie.

Obgleich ich mich bis fünf Mal in der Woche eine Stunde lang im Fitnesscenter als bussfertiger Flagellant des Mittelalters auf dem Laufband kasteie, mich auf den Kraftgeräten professionell foltere, um dann nach getanem Workout mit den muskulären Heldentaten angeben zu können.

Im Trainingscenter sieht man sich primär als Solist ohne Orchester und Publikum. Genau das Richtige für mich, derweilen im Groupfitness-Nebenraum mehrheitlich Frauen um sich scheinboxen und es ZUMBA (Eigentlich war es TôsôX) nennen. Und sie tun das frohgemut, wenn auch in ihren roten Gesichtern die Anstrengung des physisch ausdauernden Bewegtseins deutlich abzulesen ist.

Ob mit Schattenboxen auch Aggressionen abgebaut werden, kann ich nicht beurteilen. Dass es ermüdet, das aber schon. Man darf sich auch vorstellen, dass es en famille zur «Partnerschaft für den Frieden» einen sinnstiftenden Beitrag leisten könnte. Denn kaum jemand möchte als «Keifhenne oder Streithahn des Jahres» gelten. Somit tragen ZUMBA oder eben TôsôX auch zum Gleichgewicht des Seelenlebens bei.

Oder wählen wir noch PUMP als Beispiel. Genau, das mit den Gewichten an einer Stange. Ich hab’s versucht. Nach drei Vierteln der Zeit musste ich mir gestehen, lass das bleiben; die Zeiten, wo du auf dem Brugger Berg die gelb jalonierte Strecke à 4 km zwei Mal gelaufen bist, sind Historie.

Und von der Geschichte soll man bekanntlich etwas lernen, selbst dann, wenn G. W. F. Hegel meint, dass wir aus der Geschichte lernen, dass wir überhaupt nichts lernen. Mag sein. Ich teile auch von A. G. Bierce keineswegs seine Ansicht, dass der Historiker ein Breitspur-Klatschmaul sei. Er ist auch kein Schmalspur-Blechschmid.

Dass allerdings im Rahmen des Stadtbibliothek-Umzugs historische Dokumente und meine Bücher verschwunden sein sollen oder eliminiert wurden, möchte ich lieber nicht glauben müssen.

Wäre dem so, dann müsste man der Not gehorchend zu neuen Prädikaten greifen, wie etwa: «Bibliophobe des Jahres». Oder wie wär’s mit «Liquidatoren des Jahres»?


Mein nächstes «Querbeet» erscheint am 11. Mai 2023 im «General-Anzeiger» für die Region Brugg und in der «Rundschau» für den Ost-Aargau.


Kommentare (1)

Ernst Bannwart am 26.03.2023 09:43

Habe als geouteter Sportagnostiker trotzdem tapfer Deine Kolumne gelesen, obwohl ich zugeben muss, immer noch keine Bekehrungsgefühle zum Fitness-wesen zu verspüren. Natürlich ist mir klar, dass dies auch keineswegs Deine Absicht war - aber es gibt insofern doch gewisse eklektische Parallelen zum anderen Beitrag (Ecclesia, quo vadis?), als an beiden Orten offensichtlich dem „Treten an Ort“ gefrönt wird.

Zu Letzterem braucht ja nicht speziell erwähnt zu werden, dass wir christlich erzogenen Westler nur zu leichtfertig die diskriminierende Burkareligion anprangern, während sich „unsere“ Kirche weiterhin prähistorisch maskulin gebärdet. Das erlaube ich mir als immer noch Mitglied selbiger zu sagen – weil ich die (ursprünglich) christlichen Grundideen nach wie vor als brauchbar erachten würde. Aber eben: Immer, wenn die Menschen versuchen, Göttliches nachzuahmen, riskiert es animalisch zu enden – wobei dann leider nicht die wirkliche Anima den Sieg davonträgt. Doch weil ich ja selber die Unvollkommen-heit ebenfalls meisterhaft beherrsche, bleibt mir nichts anderes übrig, als auch all meinen ebenso blindlings suchenden Zeitgenoss:*Innen die entsprechende Nachsicht entgegenzubringen.

Nicht nur im Bett: Nein heisst nein!

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Ja was denn sonst? Ist doch klar. Und «nein» heisst auch nicht «vielleicht» oder «mal sehen». Ist doch eine müssige Debatte. Und hilft eine straf-fes NEIN nicht nur bei üblen Bett- und Essgewohnheiten, wie figura oben zeigt? Und wie steht es mit «NEIN ist NEIN» bei Alkohol, Drogen, Social-Media, Littering, Strassenposen und Werbefernsehen?


Talleyrand hat das mal so gesagt: «Oui» et «non» sont les mots les plus courts et les plus faciles à prononcer et ceux qui demandent le plus d'examen.

Er soll aber auch weniger zeit-gemäss das gesagt haben: Quand un diplomate dit «oui», cela signifie «peut-être»; quand il dit «peut-être», cela veut dire «non» ; et quand il dit «non» ce n'est pas un diplomate. Quand une femme du monde dit «non», cela veut dire «peut-être»; quand elle dit «peut-être», cela veut dire «oui»; et quand elle dit «oui», ce n'est pas une femme du monde.

Dennoch halte ich es trotz «femmes du monde» auf-recht: «NON» c'est «NON»! 
Und nicht vergessen: Das könnte ja auch mal ein Mann zu einer Frau sagen müssen. Weitere Varianten sind durchaus denkbar. Gerne vergessen wird auch, dass ein  «JA» auch ein «JAAAA» oder ein «Sehr gerne» sein kann. Und hier geht's gleich

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