Kritik

«Erfundene Geschichte, echte Emotionen»
Giordano Bruno und seine Wahrheit

Im Kontext einer Spielfilmkritik fällt eine merkwürdige Headline mit einem beachtlichen Fragenpotential zum Thema Geschichten und Emotionen auf.

Somit fragt man sich: Sind eigentlich nicht alle Geschichten erfunden oder zumindest gefunden? Nach der Devise von Giordano Bruno: «Se non è vero è molto ben trovato.» Geschichten  erzählen Geschehenes, sind aber nie reine unmittelbare Realität. Sie sind allenfalls aus tatsächlichen Vorgängen neu zusammengeführte Nacherzählungen und in jedem Fall fiktiv, folglich immer mehr oder weniger erfunden, oder eben einfach Geschichten.

Sagen wir es so. Alles was erzählt und berichtet wird, ist nie das, was unmittelbar geschieht oder mal geschehen ist; ist vielmehr mittelbar transformiert mit der Hilfe von Zeichen, Form und Sprache. Der Schmerz, wenn ich auf die Nase gefallen bin, ist nie der, über den ich erzähle.

Und genauso verhält es sich mit den sogenannten «echten Emotionen», welche sofort die Frage aufwerfen, ob es denn auch unechte Emotionen gebe. Und worin liegt der Unterschied? Gibt es ein Prüfsiegel für echte Emotionen und eine schwarze Liste für unechte?

Meiner Erfahrung nach bedrängen uns weit eher starke und eben schwache Emotionen. Ob gar keine, weiss ich nicht. Echt sind sie alle; und die sogenannten unechten sind wahrscheinlich eben inexistent oder vorgetäuscht und daher ebenfalls keine.

Folglich ist es sinnlos, in einer Headline von einer «erfundenen Geschichte» und «echten Emotionen» zu schreiben. Geschichten sind immer erfunden, selbst dann, wenn sie annähernd zu 100 Prozent die Realität abbilden möchten, was sie aber nie leisten.


Kommentare (1)

Georges Ramstein am 15.03.2022 17:58

Wir müssen uns wohl damit abfinden, dass alles, was mit den menschlichen Sinnesorganen aufgenommen wird, immer nur subjektiv wiedergegeben werden kann. Auch dann, wenn sich die schildernde, (erzählende, wiedergebende) Person sehr bemüht, 'objektiv' zu sein.
In mehr als drei Jahrzehnten als Störungsfachmann (Troubleshooter), musste ich mich stets bemühen, die 'Wahrheit' aus den oft sehr widersprüchlichen Schilderungen herauszufinden, ohne dabei meine eigene Subjektivität zur Wirkung kommen zu lassen.
Zur Flucht aus dem Dilemma der stets subjektiven Wahrnehmung böte sich der so genannte logische Nihilismus an. Zur Lösung bzw. Behebung technischer – oder wohl jeglicher Art – von Störungen ist aber eine nihilistische Haltung ziemlich ungeeignet.

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