Kritik

Astrologische Phantasiestücke
«Gerne noch einmal!»

6. Januar 2022
Es existieren vermutlich drei beratungsresistente, glaubensbasierte pseudistische Wissenschaften, nämlich Homöopathie, Offenbarungstheologie und Astrologie.

Nur zu gerne verbreiten wir, dass ihr Wahrheitsgehalt und ihre Wirksamkeit in etwa denjenigen von NIVEA bei Gürtelrose oder Zuckerwasser bei Kopfschmerzen nahekommen und folglich alle drei Wissensattrappen wenig taugen.

Dennoch geistern durch unsere Tag- und Wochenblätter immer wieder Artikel primär über Frauen, die sich mit dem ungeschützten Titel Astrologin schmücken, die sich immerhin nicht als Nachfolgerinnen des Delphischen Orakels gerieren und sich auch  nicht als modernisierte Pythia an der heiligen Quelle Kastalia herumtummeln.

Noch atmen sie auf einem Dreibein über einer Erdspalte berauschende Dämpfe ein, fallen in Trance und lallen verwirrend mehrdeutig schwummriges Zeug. Nein, nein, beim Zeus. Das wäre Mythologie und trotz Nebelschwaden leicht durchschaubar.

Was heutige Sterndeuter betreiben, soll dagegen seriöses Handwerk sein. Das kann nebenberuflich an «professionellen Instituten» studiert werden. Was und wo genau, wird allerdings nicht gesagt. Sicher nicht an seriösen Universitäten. Vielleicht in Abendkursen, an Wochenendseminaren, berufsbegleitend. Hingegen erscheint klar, was da gelehrt wird.

Wahrscheinlich das Berechnen und Zeichnen von Horoskopen, Planetenständen mittels Ephemeriden-Tabellen, dies innerhalb der 12 Tierkreiszeichen. Im inneren Ring die zwölf Häuser mit den Symbolen verschiedener Planeten verbandelt. Mit roten Linien dann die dissonanten und mit grünen und blauen die harmonischen Winkelbezüge. Der Rest ist Phantasie und Exegese. Haben wir mit Zwanzig alles auch schon mal gemacht, ohne wirklich daran geglaubt zu haben.

Gegner sprechen mit Vorliebe von Humbug. Ja klar, ist es bei rationaler Betrachtung ja auch. Aber rationale Vernunft hat in diesem Metier nichts verloren. Das Irrationale, das gefahrlos Ungefähre, hier wird’s Ereignis.

Und wie überall bei uns, gibt’s auch einen gralshütenden Astrologenverband, denn der Raum für Vereinsmeierei ist wie das Universum scheinbar unendlich. Was laut Einstein auch für die menschliche Dummheit gelte, wobei er bei dem Universum noch nicht ganz sicher sei. Für die Astrologie sind wir es dann aber eher schon.

Machen wir’s kurz und zitieren akut mal wieder Schopenhauer: «Einen grossartigen Beweis von der erbärmlichen Subjektivität der Menschen, infolge welcher sie alles auf sich beziehen und von jedem Gedanken sogleich in gerader Linie auf sich zurückgehen, liefert die Astrologie, welche den Gang der großen Weltkörper auf das armselige Ich bezieht, wie auch die Kometen am Himmel in Verbindung bringt mit den irdischen Händeln und Lumpereien.»


Kommentare (1)

Roland Leupi am 08.01.2022 17:06

Du sprichst mir aus der Seele!

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