Kritik

«Word and Sound»

Seit Jahren eine Tendenz akustischer Medien: Kein Sprechen mehr ohne Sound im Hinter- und Untergrund. Es ist eine Seuche. Hier ein Pamphlet gegen das akustische Zugemüse. Die Erzählung enthält überdies eine Rätselaufgabe.

Es ist eine allgemein anerkannte Tatsache, dass ein alleinstehender Radio- oder TV-Text von einiger Relevanz nichts dringender braucht als eine Begleitmusik, sei diese nun aus der digitalen Retorte oder, oh Wunder, mit echten Instrumenten hervorge-bracht.
Zwar sind die Gründe oder Einsichten für eine derartige Regel zur Gestaltung eines Kommentars oder Features meist unbekannt, aber diese Wahrheit sitzt in den Köpfen der ansässigen akustischen Medienschaffenden so fest, dass sie gleich als die rechtmässige Eigenheit des einen oder anderen Produzenten gilt.
»Mein lieber Herr Regisseur«, sagte einer seiner regelmässigen Hörer eines Tages zu ihm, »haben Sie schon einmal davon gehört, dass es kaum noch Nachrichten oder Hörspiele, Tier- und Kochsendungen gibt, die nicht mit passender und unpassender Begleitmusik zugemüllt werden?«
Das habe er nicht, antwortete der Radiomann wohlwissend, dass er schwindelte.
»Doch, doch«, erwiderte der Zuhörer, »ein anderer Zuseher war nämlich gerade hier bei mir, und er sagte, auch er habe es Ihnen lang und breit erzählt.«
Der Radiomensch gab keine Antwort. Kritik sitzt man erst mal aus.
»Wollen Sie denn gar nicht wissen, warum?«, habe der Medienkonsument dann ungeduldig gerufen.
»Sie wollen es mir erzählen; ich habe nichts dagegen, es mir anzuhören«, hat der Radiomann geantwortet. Das genügte dem Zuhörer als Aufforderung.
»Stellen Sie sich bitte vor, meine Nachbarin hat mir gesagt, dass sie dieses Gejingle und Geklingle bis oben hin satthabe. Kein Wortschwall ohne musikalische Sättigungsbeilage. Keine Infosendung ohne Blingbling und Signete. Als gelte es, die News mit Glockenklang und Hochgesang aufzuwerten. Zudem seien diese synthe-tischen Untermalungen ganz sicher kein Beitrag zur akustischen und inhaltlichen Verständlichkeit. Oder  dann dauernd diese Unterbrechermusik aus den Verbrecher-alben irgendwelcher zweitrangiger Rockgruppen. Ob die wirklich sein müssen? Warum nicht wieder mal einfach erzählen und schlicht berichten ohne akustisches Brimborium und Laboratorium drum herum?«

Nun das Rätsel.
Welchem nicht gerade unbekannten Romananfang verdankt dieser Text formal seine Gestalt?


Kommentare (3)

Peter Haudenschild am 24.11.2021 14:34

Solche Wortbeiträge sind offenbar so lahm, dass sie mit «Musik» so übertönt werden müssen, dass man das Wort gar nicht mehr verstehen kann. Fazit: Solche Sender abschalten. Auch wenn es alle betrifft. Da lob ich mir doch die Zeitung, ob analog oder digital.

Leo Guterson am 23.11.2021 17:09

Lieber Herr Kamer
Die Bibel ist doch kein Roman; oder etwa doch?

Fritz Kamer am 23.11.2021 16:01

Mein Lösungsversuch des Rätsels: "Im Anfang war das Wort".
Kommentar: Leider ist es nicht bei Gott geblieben.

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