Querbeet

10 Zitate von Oscar Wilde
Akut kommentiert

Für die Bonmots Oscar Wildes hatte ich schon immer eine Schwäche, und zwar gerade deshalb, weil sie nie ganz stimmen und weitere Aperçus stante pede herausfordern. Hier nun jene, die mir neulich aufgefallen sind.

Zitat: Normalschrift.
Kommentar: Kursivschrift.


Die einzige Gesellschaft, in der man es aushalten kann, ist man selbst. Kann schon mal vorkommen, bis man wieder Gesellschaft braucht.

Moral ist weiter nichts als die Haltung, die wir Leuten gegenüber einnehmen, gegen die wir eine persönliche Abneigung haben. Auch hier: Angemessener und wirksamer ist aber oft eisiges Schweigen.

Sittlichkeit ist lediglich die Haltung, die man gegenüber unsympathischen Leuten annimmt. Ja schon, aber bitte unaufdringlich und in ihrer Gesellschaft an die elegante Macht des Schweigens oder Ignorierens denken.

Mode ist, was man selber trägt. Was unmodern ist, tragen die anderen. Aber ganz sicher! Grellgelbe Trainingshosen und bunte Turnschuhe von Lidl.

Die Menschen sind entweder charmant oder langweilig. Es ist absurd, sie in gut und böse einzuteilen. Absurd ist es meistens, aber manchmal trotzdem notwendig; allein schon aus Selbstschutz.

Gift zu mischen ist ein geringeres Verbrechen, denn schlechte Prosa zu schreiben. Stimmt, wenn man das Gift nicht verabreicht. Es sei denn, man tut's satirisch mit einem verbalen Toxin.

Ich bin ein Freund der Londoner Tafeln. Die gescheiten Leute hören da nie zu, und die Dummen ergreifen nie das Wort. Schön wäre ja Letzteres.

Es ist erstaunlich, welche Schleichwege man heute geht, um hinter unserem Rücken Dinge zu sagen, die völlig wahr sind. Trotzdem schaue man hin und wieder nach hinten, um zu sehen und zu erkennen, wer da wieder intrigant herumwuselt.

Eine Frage ist nie eigentlich indiskret, die Antwort ist es zuweilen. Gleichwohl sei man zurückhaltend mit dieser Fragerei, die sehr bald in ein Verhör ausarten könnte.

Wagners Musik ziehe ich jeder anderen Musik vor. Sie ist so lärmend, dass man die ganze Zeit über sich laut unterhalten kann, ohne dass die anderen verstehen, was man sagt. Dazu nur noch Karl Marx: Bayreuther Narrenfest des Staatsmusikanten Wagner.


Kommentare (1)

Pirmin Meier am 29.10.2021 12:22

Oscar Wilde, der Jahrhundertpoet, an den Valentin verdienstvoll erinnert, gehört zu den genialischen Aphoristikern, von denen wir in der Schweiz nicht viele haben. Unter den Landsleuten seit Anbeginn gehören ab dem 19. Jahrhundert Hilty und im 20. Ludwig Hohl meines Erachtens zu den mit grösstem Gewinn lesbaren Klassikern. Der in Zürich begrabene Elias Canetti hat sich noch nachträglich "von aussen" dazugesellt.
Oscar Wilde ist aber zweifelsohne der speziellste, und was Valentin einschätzungsweise anmerkt, ohne dem unvergleichlichen Oscar Wilde mit seinen Kommentaren das Wasser abgraben zu wollen, stimmt grundsätzlich.
Nicht zu vergessen ist in Sachen Moral, Ethik und Moralismus, dass Wilde noch zu den Altschwulen gehörte, also zu denjenigen, die im Rahmen dieses Themas diskret bleiben mussten, nach dem Motto "Zensur verfeinert den Stil".
Wie auch immer, seine Bemerkungen wider den Moralismus gelten auch heute. Nicht wenige seiner Aphorismen würde ich ohne wenn und aber stehen lassen. Er ist einer der genialsten Autoren der letzten 150 Jahre.
Unter den Aphorismen schreibenden Frauen schätze ich Marie von Ebner-Eschenbach seit über 50 Jahren am meisten. Sie gibt indes zu bedenken: "Der Aphorismus steht am Ende einer langen Gedankenkette." Muss also mit Kontext versehen werden, was Valentin im Prinzip übrigens macht, wenn auch weniger auf den Autor bezogen. Christian Morgenstern, in "Stufen" usw., ebenfalls Meister des Aphorismus, gibt noch zu bedenken: "Ein Aphorismus ist nur für einen - situativ passenden (P.M.) - Augenblick wahr."

Zu ergänzen bleibt, dass der Begriff auf Hippokrates zurückgeht und dort als kurzer, der Gesundheit dienender Merksatz zu verstehen ist, also mit therapeutischer Funktion. Über die Aphorismen des Hippokrates hielt Paracelsus zur Zeit der Hundstage 1527 in Basel eine Vorlesung. Das mit den Hundstagen ist deswegen von Bedeutung, weil ihm die Hörsäle der Universität nur zur Ferienzeit offen standen, weil die Fakultät seinen nicht ausgewiesenen Doktortitel nicht akzeptierte. Er war übrigens vom Geschlecht her nach heutigem Wissen ein "Transgender", worauf auch Erich Langjahrs neuester, noch nicht gestarteter, aber am ZH Festival bereits gezeigter Film "Paracelsus - Ein Landschaftsessay" zurückkommt.

PS. Grosse Verdienste für die Rezeption des Sprachkünstlers Oscar Wilde hat sich im übrigen der in der nordwestlichen Deutschschweiz beheimatete Autor Otto Höschle, wie Valentin Trentin und ich Mitglied des Innerschweizer Schriftstellerinnen- und Schriftstellervereins, erworben, und zwar durch seine einprägsam zu lesenden ausdrucksstarken Übersetzungen von Oscar Wildes Lyrik.

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