Kritik

Was soll jetzt das schon wieder?

Ich bin ein Spiesser. Ich weiss. Mit dieser Tatsache muss ich nun mal leben. Und mit Installationen, die mit einem Riesenwust an Deutungs-Schwulst erklärt werden, statt für sich selbst wortlos zu zeugen.

Jetzt aber zur Sache: Wie reagiere ich? Was sehe ich? Was spüre ich? Was denke ich? Der Reihe nach.

Wie reagiere ich?
«Nein, nicht schon wieder! Seit Jahren und zu Dutzenden sieht man dieses Gehänge und Gedränge von Materialien aus Bau+Hobby oder von Schutthalden und  Recyclingplätzen als Symbole für unsere angeblich dekadente und degenerierte Epoche. Nennt sich Installation und stiftet Konsternation.


Was sehe ich?
Eine hemisphärische Gestänge-Konstruktion mit Purpurband, gesichert und gehalten von Spannbändern; auf dem Pflastersteinboden eine ellipsenähnliche Konstruktion ebenfalls aus Stangen; und schwarze und weisse Rundgewichte. Mehr eigentlich nicht, oder?

Was spüre ich?
Befremden, und die ungebändigte Lust, mich zu fragen, was zum Teufel soll das Ganze hier? Und Ärger und auch leichte Verzweiflung über die Zumutungen des Kunstbetriebes. Nun gut. Das ist mein Problem, das mir immer wieder Freunde verschafft.

Was denke ich?
Sicher weniger Ausgefallenes, als uns die inflationären Kommentare der Kunstszenen-Apologeten suggerieren wollen, welche die Installation mit Hanna Arendts Essays «Die Freiheit, frei zu sein» in einen sehr gesuchten Zusammenhang stellen wollen, den die installierte Baugerüst-Konstruktion von sich aus nicht ausdrückt, die erst durch Verbalkosmetik deutlich wird.

Beispiel: «Es braucht schon Mut, die beschworene Freiheit in Stein zu meisseln und ein Geländer drumherum zu bauen», schreibt die Rezensentin. Mut? Gesuchte Erfindungsgabe würd’s auch richten. Und wohl auch etwas szenisches Imitations-gehabe.

Wie gesagt. Ich bin ein Spiesser. Von darstellender Kunst verstehe ich weniger als eine Katze von Schokoladen-Osterhasen. Nur eines gilt als sicher. Da lese ich jederzeit lieber Hannah Arendts «Denken ohne Geländer», als dass ich mich in dieses Gestänge-Labyrinth gesuchter Analogien hineinziehen und schon gar nicht gängeln lasse.


Kommentare (1)

Pirmin Meier am 17.04.2021 11:51

"Denken ohne Geländer" ist eine in der Tat bedeutende sprachliche Trouvaille der Heidegger-Schülerin und Geliebten Hannah Arendt. Zum 60. Jahrestag der Hinrichtung Eichmanns äusserte sich der beste Aktenkenner, Gabriel Bach, einziger überlebender Untersuchungsassistent, abermals kritisch über die Denkerin, die mit ihrer These von der "Banalität des Bösen" nun mal auf die Akten und genaues Wissen nicht angewiesen war, wusste sie es doch im voraus. Aber gerade Eichmann, ein hochintelligenter Vertreter der "instrumentellen Vernunft" (Habermas) mit organisatorischen Fähigkeiten, die Arendt auch für Positives nie gehabt hätte, passt nun mal nicht in ihre These. Sie bleibt zumal eine begabte Schriftstellerin.

Wenn E-Mails nerven.

20. April 2024

Erhalten Sie auch E-Mails mit Phishing-Hinterhalten und selten blöden Lockstoff-Headlines?
Weiterlesen

Salärexzesse? Soziale Abszesse?

12. April 2024

Die Frage sei erlaubt im Zusammenhang mit den exzessiven zweistelligen Millionen-Salären der Kräm de la Kräm der Krämerseelen auf den Teppichetagen.
Weiterlesen

KUNST?

2. April 2024

Also, das ist jetzt so. Ich war zur Vernissage geladen. Zwei Künstlerinnen zeigen Installationen. Doch allein schon dieses Wort installiert in mir Vorbehalte.
Weiterlesen