Kritik

Sind Meinungen machbar?

Soeben mit Resistenz gelesen:
«In seiner heutigen Position zählt er zu den wichtigsten Meinungsmachern in Sachen Kultur. Wenn er ein neues Buch bespricht oder eine junge Autorin vorstellt, hat das Auswirkungen auf die Buchverkäufe.»

Das ist leider nur allzu wahr. Sei es nun ein Verriss mit Reich-Ranickischen Dimensionen oder eine Sieburgsche Eloge. Wenn von «den wichtigsten Meinungsmachern in Sachen Kultur» in einem Journal geschrieben steht, läuft man Gefahr, dass sich während der Lektüre die Fussnägel zu kräuseln oder nach oben zu biegen beginnen. Oder vom exzessiven Haareraufen ein Glatze droht.

Und man fragt sich dann unwillkürlich, ob denn wirklich eine Meinung gemacht werden könne. Nun, in der Regel schon. Schliesslich gelingt es Marketing und Werbung, die unmöglichsten und lächerlichsten Produkte unter die Bevölkerung zu streuen, wie etwa den «Ear Wizard Ohrenreiniger» oder das «Flippitiy Fish interaktive Katzenspielzeug».

Ähnlich Flippiges in Kunst und Literaur. Da kräuselt sich die Nase und runzelt sich die Stirn, wenn die Meinungsmacher der Bücherwelt jede Woche mindestens einmal  Erstlinge eines epochalen Jungtalentes in Sphären hochtirilieren, dass die Gelobten sich, bevor sie sich dort oben euphorisch überschlagen, in der Tat zu überlegen beginnen, ob sie eventuell doch den Status des Genies beanspruchen dürfen oder konträr, sich im Wald verstecken und als Eremit enden sollen.

Nun mal grundsätzlich. Eine bewusste Diätetik im Hinblick auf die Produkte der Literaturkritik ist sicher empfehlenswert. Warum sich etwas aufschwatzen lassen, wenn alles in uns sich gegen das Verdikt sträubt, der und der sei ein neuer Fontane und die und die eine neue Carson McCullers.

Und Kant, auch wenn's abgedroschen klingt, wahr ist es trotzdem, der hilft da schon auch weiter: «Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung.»

Bildlegende: Théo van Rysselberghe: Die Lesung (1903). Von links nach rechts: Félix Le Dantec, Émile Verhaeren, Francis Vielé-Griffin, Henri-Edmond Cross, André Gide, Maurice Maeterlinck, Félix Fénéon und Henri Ghéon.


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