Kritik

General-Anzeiger Brugg und Rundschau
«Querbeet» vom 11. März 2021
Sekundärprobleme der Sprache

Angeregt, nicht aufgeregt, hat mich der Beitrag von Katja Seifried im GA vom 4. März. Ihre Auslassungen über eine gendergerechte Wortwahl sind bemerkenswert, wenn auch diskutabel, wie es sich für aufgeweckte Dialektiker gehört.

So etwa das Gender*sternchen, das ästhetisch daherkommt wie eine Ameise auf einem Fruchtsalat. Auch möchte man das Partizip Präsens nicht favorisieren wie in «die Lehrenden an den Schulen» oder die sterilen «Lehrpersonen».

Und schon gar nicht sei die verkrampfte Feminisierung von Nomen zu fördern. Zum Exempel: «Liebe Gäste, liebe Gästinnen» oder «Mitgliederinnen der Frauengruppe ‹Federboa›.»

Noch weniger verspüre ich den Drang, mich auf die Geschlechter-Klassenkampf-Arena zu begeben. Das ist vermintes Gelände mit feministischen Sprengfallen, Quotenregelungs-Granaten und Theorie-Petarden. Gestatten Sie dazu ein paar forsche Sprüche.

Feminismus: Selbstverständlich dort angemessen, solange er nicht in Gift-und-Galle-Männerbashing ausartet. Wir können nun mal nichts dafür, wie wir glauben sein zu müssen.

Frauenquote: Was ist falsch an der Frauenquote? Die Vorstellung, dass Frauen sie nötig haben. Und was richtig? Dass sie immer noch zu reden gibt. Und noch ein Drittes, wofür ich dann wieder bestraft werde: Was an den Frauen aufregend ist, ist sicher nicht die Quote.

Und schliesslich der Theorie-Blindgänger, Wörter veränderten die Sicht auf die Dinge. Wenn ich also statt «verhaltensgestört» das Wort «verhaltensoriginell» verwende, macht das aus einem Hirni ein Genie und aus einem Knallfrosch einen Intelligenzböller?

Überhaupt scheint mir, dass die universitären Gender-Hohepriester (generisches Maskulinum) nur Sekundärprobleme der Sprache reflektieren, Tummelfelder für Unkreative besetzen und die Sprache mittels Cancel-Culture in ein prüdes Korsett von Dogmatismus und Ironiefreiheit zwängen.

Um es auf den Punkt zu bringen: Ich wende mich an die hypersensiblen, dauerbeleidigten Minderheiten der Generation Snowflake, welche die Redefreiheit der sogenannten sprachlichen Korrektheit opfern will. Seid etwas rationaler und verschont uns mit der Milchsuppensprache der moralinsauren Entrüstung.


Zur vertiefenden Illustration noch dieses kleine Aperçu.

Bulletin 94 200321

Kommentare (9)

Franz Eggspühler am 22.03.2021 19:28

In gendergerechter Fassung:
Gast/Gästin zum Wirt/zur Wirtin: "Ich möchte den Küchenchef/die Küchenchefin sprechen." Wirt/Wirtin: "Geht leider nicht, er ist nicht da." Gast/Gästin: "Ich habe ihn aber doch durchs Fenster gesehen." Wirt/Wirtin: "Er Sie auch."

Erich Doppler am 21.03.2021 09:38

Hier ein aktueller Witz dazu:
"Füsilier Huber", fragt der Feldweibel. "Was sind Sie eigentlich im Zivilberuf?"
"Mitarbeiter im Robert-Koch-Institut."
"Sehr gut, dann melden Sie sich jetzt zum Küchendienst!"

Richie Schwaller am 20.03.2021 13:35

Lieber Herr Meier
Bitte behalten Sie uns doch nicht den angetönten Kochschulwitz vor. Wie geht der?

Pirmin Meier am 20.03.2021 12:06

"Die Ameise auf dem Fruchtsalat" ist, geschätzter Valentin, fast so treffend wie bei Jürg Federspiel "Erdbeeren in einer WC-Schüssel" ; wobei letztere Formulierung im Zusammenhang mit einer kritischen Auseinandersetzung mit New Yorker Pop-Art-Ästhetik Richtung Andy Warhol formuliert wurde. Dies ging immerhin noch stärker in Richtung kreativ.

Selber engagierte ich mich schon vor 10 und mehr Jahren in der selben Richtung, musste es aber, weil ich es am falschen Ort vortrug, an einem als "antifeministisch" deklarierten sogenannten Kongress, dann als Lehrerfortbildner mit explizit damit begründeter Nichtweiterbeschäftigung büssen. Hatte aber bei jener Gelegenheit einen noch als frauenfeindlich interpretierbaren Kochschullehrerinnenwitz zum besten gegeben. Wobei ein Ausdruck wie "Kochschullehrerin" schon damals auf Sprachstufe "Eskimo" bzw. "Krüppel" deklassiert war. Ehrlich gesagt, das meine ich keineswegs frauenfeindlich, steht bei mir bei Erinnerung an "Kochschule" zu meiner Zeit als Bezirksschüler und Bezirkslehrer, im Zusammenhang mit Ferienlagern und Skilagern, leider alles andere als mit kulinarischer Erotik in Verbindung. Was heute auf den Platten zurückblieb, kam morgen als Suppe wieder auf den Tisch. Dabei spricht man heutzutage, wenn schon, von Hauswirtschaft und allenfalls "Ernährungsphilosophie", mit übrigens Tendenz zur Entfeminisierung dieser Bereiche.

PS. Noch zur Sache selber: Dichterinnen wie Annette von Droste-Hülshoff (im 19. Jahrhundert) und die Aargauerin Erika Burkart im 20. Jahrhundert, noch im 21. Jahrhundert Helen Meier, hatten es nie nötig, die spürbar und übrigens genialisch getroffene "weibliche Diktion" mit sprachlichen Krampf-Manipulationen zu unterstreichen. Sie konnten es einfach und haben es schlicht getroffen. Noch denkwürdig bleibt für mich, wie Goethe in seinem Eheroman "Die Wahlverwandtschaften" im Tagebuch von Ottilie so zu schreiben verstand, dass man ohne Kenntnis jener Verfasserschaft zur Auffassung käme: Hier liegen 100 Prozent weibliche Intuition, Empathie und entsprechende durchaus vom Geschlecht mitbestimmte spezifische sprachliche Ausdruckskraft vor. Insofern Goethe in Weimar Minister und Theaterdirektor war, hätte man einen wie ihn bei heutiger Frauenquote incl. Diversität mehrerer Geschlechter durchaus als "Nicht-Mann" mit starkem femininem Einschlag durchgehen lassen können.

Drahu Kohout am 15.03.2021 16:22

Bravo Valentin, Du hast es wieder mal auf den Punkt gebracht. Danke!

Fritz Kamer am 15.03.2021 16:14

Es ist gefühlt Jahrzehnte her, da fragte ein gescheites Haus in einer Gender-Diskussion: "Wie wird eine Frau ihrer Gefühle Herr?"

Ernst Bannwart am 14.03.2021 10:48

Gratuliere zu Deinem markanten und fundierten Plädoyer zugunsten des unschuldigen Opfers Namens Sprache, das in der zunehmenden Genderphobie gerade eine ähnliche Pandemie durchmacht wie wir. Die Fallzahlen nehmen zu. Man weiss auch nicht wirklich, wie man das in den Griff bekommt. Der Impfstoff eines geschlechtsneutralen gesunden Menschenverstandes ist zurzeit glaube ich nicht mal tiefgefroren erhältlich.

Richie Schwaller am 14.03.2021 09:06

Einfach lächerlich, dieses Getue in den Genderställen. Die glauben wirklich, die Wortwahl "mache aus einem Hirni ein Genie und aus einem Knallfrosch einen Intelligenzböller." Oder aus einer Frau einen Mann und umgekehrt.

Dr. Canisius Mertens am 14.03.2021 08:57

Es stimmt schon. Wer schreibt, hat ganz andere und differenziertere Probleme, als uns die Genderszene weismachen will. Vor allem solche der stilistischen Konzentration.

Ein Supplement zur Gendersprache

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Eher zufällig habe ich einem Beitrag in einem Newsletter eines Service Clubs ein paar zitatträchtige Bemerkungen entnehmen können. Hier sind sie.

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