Kritik

Die Wahrsägerei von Boswil bei Bünzen

Sie heisst Myrtha Keusch-Schriber, lebt in «Boswil bei Bünzen» und sondert Sätze ab wie den Nachfolgenden.

«Die Verbindung von Saturn und Pluto hat etwas Absolutes an sich. Es geht um Tiefe und um Klarheit». Absolut richtig. Genau darum geht es. Um rationale Tiefe und Klarheit ohne astrologische Scheinrelevanz.

Und da stimmt man der «Nostradama aus dem Freiamt» auch gerne zu, wenn sie sagt: «Wir müssen alles mit Vorsicht geniessen und beobachten.» Das gilt im Besonderen mit Blick auf die Irrwege der Astrologie, denn «Saturn und Pluto überprüfen hartnäckig, ob das Fundament genügend Halt gibt.» Da aber haben sie offenbar versagt.

Denn hätten die beiden Planeten nämlich die zerbröselnden Hypothesen-Planken untersucht, dann hätten sie erkannt, dass zwischen den Konstellationen der Sterne und dem Ameisengewimmel auf Erden kein Zusammenhang nachzuweisen ist.

Endgültig im Fabelreich gelandet ist die «Caliostra vom Forstbach» (Rinnsal in Boswil) mit folgender Aussage: «Da sich am 21. Dezember (Sonnwende?) die Planeten Jupiter und Saturn zu einer Konjunktion im Wassermann trafen, erahnte ich es, dass der Impfstoff Ende Jahr kommt.» Ob es auch bald einen Impfstoff gegen epidemischen Schwindel geben wird, kann «Madame Blavatsky 2.0» allerdings nicht prognostizieren. Wir auch nicht.

Was wir jedoch können, ist mit Schopenhauer zusammenzufassen:
«Einen grossartigen Beweis von der erbärmlichen Subjektivität der Menschen, infolge welcher sie alles auf sich beziehen und von jedem Gedanken sogleich in gerader Linie auf sich zurückgehen, liefert die Astrologie, welche den Gang der großen Weltkörper auf das armselige Ich bezieht, wie auch die Kometen am Himmel in Verbindung bringt mit den irdischen Händeln und Lumpereien. Dies aber ist zu allen und schon in den ältesten Zeiten geschehen.»

Und jetzt wieder mal zur Abwechslung in Boswil mit der Beihilfe des Aargauer Intelligenzblättgens, das keine Hemmung verspürt, solchen Wahnwelten die Spalten zu öffnen.


Kommentare (8)

Marius Plotter am 14.01.2021 20:00

Nein, gab es meines Wissens nicht. Wozu auch?

Georges Ramstein am 14.01.2021 17:16

Lieber Herr Plotter. Bitte beantworten Sie mir eine Frage: Gab es je einmal Kriege oder Kreuzzüge oder dergleichen, die ausschliesslich um den Glauben an die Astrologie geführt wurden, kriegerische Auseinandersetzungen von Astrologie-Gläubigen gegen Astrologie-Ungläubige?

Marius Plotter am 14.01.2021 16:44

Lieber Herr Ramstein. Lesen Sie doch bitte noch einmal den Beitrag von Pirmin Meier. Er gibt Ihnen erschöpfend Auskunft und führt weiter und tiefer. Und dass unsere liebe Frau von Boswil bei Bünzen lieber guten Kaffee zubereiten sollte, statt in seinem Satz zu lesen, ist sowohl wünschenswert als auch evident.

Georges Ramstein am 14.01.2021 16:26

Marius Plotter: Ich bin kein Kriegsfachmann. Aber ich denke, dass es Kriege gegeben hat, die ausschliesslich wegen des Glaubens bzw. der Religion geführt wurden, indem die einen den anderen ihren Glauben auf dem Kriegswege aufzwingen wollten. Etwas anderes ist es aber, wenn ein Krieg – z. B. als Territorialstreit oder wegen der Eroberung von Ressourcen – aufgrund von astrologischen Voraussagen geführt wird. Die Frage lautet also: Wurden Kriege begonnen, um die Astrologie als Glaube oder Religion zu verbreiten oder nur als Folge astronomischer Prophezeiung, welche die Kriegsziele betrafen? Meines Wissens hatte Wallenstein nicht die Verbreitung der Astrologie im Sinn, aber er liess seine Chancen astrologisch prüfen. Mit anderen Worten: War die Astrologie jemals Gegenstand eines Glaubenskrieges oder einfach nur Anstoss oder Mittel zum Zweck?

Ernst Bannwart am 11.01.2021 18:04

Schönes Wortspiel mit der Wahrsägerei. Ich habe es auch nicht so mit der Abstrologie – Krebse sind eh skeptisch. Ich stehe zudem unter einer Konjuktion von Winterschlaf und Frühlingsmüdigkeit – meinst Du, das könnte Sternenföifi öppis Ernstes sein?

Pirmin Meier am 11.01.2021 11:00

Von Grundwissen kann man hier, wie ich fürchte, nicht sprechen. Wie weit Astrologie eine Beratungswissenschaft ist, hängt von vielerlei Faktoren ab, am stärksten aber vom Astrologen selber, der, um ein Beispiel zu machen, auch der beste Astronom der Zeit war, Galilei inbegriffen, nämlich Johannes Kepler. Weder in Prag noch in Linz noch in Regensburg, wo er auf dem Weg zum Geldeintreiben verstorben ist, konnte er von der Astronomie leben, wiewohl etwa seine Beobachtung und Analyse der Passage des Mars durch die Sonne laut Einstein die möglicherweise bedeutendste Leistung in der Geschichte der Astronomie war; von welcher Tätigkeit indessen er vorübergehend wegen Verteidigung seiner Mutter in einem Hexenprozess abgelenkt war. Aber die Hauptsache: Kepler war wohl, allein wegen seiner Intelligenz und praktischen Klugheit, sowohl für Kaiser Rudolf wie auch für den General Wallenstein ein Berater auf einem Niveau, wie es dies vorher und nachher in der Geschichte der Politik vielleicht nie wieder gegeben hat. Freilich waren die Ratschläge insofern schlecht verkäuflich, weil sie realistisch waren, zum Beispiel für das Jahr 1618 (Ausbruch des Dreissigjährigen Krieges) und weil man eben das, was Kepler riet, nicht hören wollte. Vielmehr wollte Wallenstein zum Beispiel allzu Konkretes über sein eigenes Schicksal wissen, für das aber die Sterne leider nicht so günstig lagen wie er es gerne gehabt hätte.

Eine Beratungswissenschaft, siehe auch Psychologie, Astrologie, Graphologie, ev, Beratung durch Bibelsprüche, die durch das Los gezogen werden (so handhabte es vor 150 Jahren Bismarck) hängt von Axiomen, Theoremen und weltanschaulichem Konsens ab. Auf dieser Grundlage hat Kepler die Astrologie auf einem Niveau betrieben, wie es zwar durchaus dann und wann vorkam, aber nicht mit dem herkömmlichen Astrologinnengeschäft vergleichbar ist. Natürlich braucht es dafür erkenntnistheoretische und weltanschauungsgeschichtliche Grundlagen, wozu zum Beispiel das Studium der Werke von Paracelsus wertvoll ist. Der berühmte Arzt aus Einsiedeln deutete am 16. August 1531 von St. Gallen, Hochrütiners Bürgli auf der Berneck, wo auch Vadian den Kometen beobachtet hatte,, die Gestirnkonstellation für den 2. Kappelerkrieg und sagte voraus, dass die "schwächere Partei über die stärkere" obsiegen werde und ein grosses Haupt von seinem Stuhl fallen werden, im September 1531 in Zürich gedruckt, einen Monat später war der Empfänger der Widmung, Ulrich Zwingli, in der Schlacht bei Kappel gefallen. Es ging aber nicht ums Rechthaben oder Rechtbehalten, lediglich um die Warnung vor dem Religionskrieg. Natürlich vergebens. So weit zur Astrologie als sog. Beratungswissenschaft.

@Marius Plotter. Sie haben grundsätzlich übrigens durchaus recht. @Georges Ramstein: Gilt auch für Politologie sowie für, siehe letzte Woche in einer Zeitung, "Experten über den Tod" sowie zum Beispiel für "Amerikaexperten".

Marius Plotter am 10.01.2021 18:55

Da darf ich Ihnen widersprechen. Astrologen und Astronomen waren nicht selten Einflüsterer der Mächtigen und entschieden mit über Krieg oder Frieden.

Georges Ramstein am 10.01.2021 17:18

Die Astrologie ist zwar reiner Humbug und eine Art Religion, denn man kann ihr glauben oder auch nicht. Aber meines Wissens wurden ihretwegen noch keine Kriege geführt. Was man leider von den Religionen nicht vermelden kann.

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