Kritik

Landunter für die FDP?
Ein zweites Wort.

Wer schon möchte diesem Wahlspruch widersprechen? Ist doch stark. Ob es die liberalen Visionen dieser Partei auch sind, das ist jetzt offenbar die Frage. Dazu noch einmal ein zweites Wort zum angeblichen Niedergang der FDP.

Die soll sich nämlich «auf dem Weg in die Bedeutungslosigkeit» befinden. Der Verfasser dieser eilfertigen Analyse kennt auch gleich ein paar Rezepturen, die an die Kräutermixturen eines gutmeinenden Drogisten erinnern. In medias res waren es diese, die ich hier in ihrer ganzen Pracht kommentarlos repetiere: 

Die Partei brauche dringend mehr inhaltliche Kreativität, mehr strategische Fantasie, ein Erwachen ihrer Basis; und sie benötige Exponenten, die der schlechten Situation ins Gesicht sehen und eine Debatte um den Kurs der Partei anzetteln. Sie brauche zudem bessere Kommunikatoren. Und vor allem  müsse die FDP zur Einsicht kommen, dass Nichtstun die Probleme nur verschärft.

Das mag ja alles sein, obschon die inhaltliche Schwäche dieser luftigen Therapieverordnungen evident ist. Und eines wäre rückblickend nicht zu vergessen: Ohne die Liberalen, die Radikalen oder eben heute ohne FDP wäre unser demokratischer Staat wohl kaum das, was er jetzt geworden ist.

Dem alten Slogan «Mehr Freiheit, mehr Selbstverantwortung, weniger Staat» kann ich durchaus etwas abgewinnen, wenn er nicht in einen rechtslastigen Neoliberalismus der Stärkeren - Politischer Darwinismus à la Trump - mündet, oder noch fataler, in Brachialfantasien der Libertarians ausartet, ganz zu schweigen von den braunen Sumpfgebieten der rechtsradikalen Szene in Deutschland und ansatzweise auch bei uns.

Ideal wäre der Liberalismus der FDP vermengt mit der gewerkschaftlichen Sorgfaltspflicht der SP des Parteipgrogramms von 1959. Aber davon hat sich dieser Gemischtwarenladen seit Dezennien weit enfernt.


Kommentare (1)

Pirmin Meier am 18.12.2020 12:32

Einig bin ich mit Valentin Trentin in Sachen unentbehrlicher Bedeutung eines vernünftigen Freisinns in der Schweiz. Es wurde schon für Deutschland eine mittlere Katastrophe, dass die FDP, die sich wichtigtuerisch als "Partei der Besserverdienenden" bezeichnete, stark abgewirtschaftet hat und jetzt im Gegensatz zu vor 50 Jahren zur Zeit von Brandt bis Kohl als Zünglein an der Waage völlig ausgedient hat. Ich freue mich nicht auf den durchaus drohenden Verlust des 2. freisinnigen Bundesratssitzes, wiewohl ich Freisinnige immer nur panaschiert habe; nie ihre Liste eingelegt. Aber es gab immer mindestens einen Vernünftigen zum noch Draufschreiben, was Du, lieber Valentin, Dir selber heute wohl durchaus vorstellen kannst. Auch wenn ich in Brugg die Abwahl einer tüchtigen FDP-Frau bedaure, ist für mich der Einsitz des Historikers Titus Meier, dessen Publikationen mir bekannt sind und mit dem ich zusammengearbeitet habe, allein schon deswegen unentbehrlich, weil die historischen Kenntnisse im AG Parlament derzeit als bescheiden einzuschätzen sind. Schon vor 20 Jahren stellte ich fest, dass eine damalige Fraktionskollegin von Valentin den Namen Robert Grimm noch nie gehört haben wollte, so wie die von der CVP ihre einstigen Grössen leider kaum mehr kennen, sonst kämen sie nicht auf die Idee, ihre eigene Marke auf den Abfallhaufen der Geschichte zu deponieren, wie es Thomas Hürlimann, Bundesratssohn, ähnlich wie ich einschätzt.

Dabei, lieber Valentin, ist Dein Feindbildbegriff Neoliberalismus, der eigentlich auf die Mount-Pélerin-Society zurückgeht, vielleicht doch nicht reflektiert genug. Auch bezüglich Deutschland nicht. Ich kenne, bei allem Abscheu gegen diese Sorte der elektronischen Publikation, mindestens einen sog. "Influencer" aus jener Richtung, der bedenkenswerte Beiträge liefert, nämlich Gunnar Kaiser, auch gelegentlicher Mitarbeiter des Schweizer Monat.. Von ihm hörte ich dieser Tage eine ausgezeichnete Analyse der nun mal vorhandenen massenpsychologischen Seite des Pandemie-Wesens, wie von Elias Canetti, den ich noch persönlich gekannt habe, in seinem Standardwerk "Masse und Macht" grandios beschrieben. Sodann ist es erwiesen, dass zum Beispiel 1831 deutschlandweit mit Kanonen geschossen wurde, zwecks Luftreinigung gegen die Cholera. Wenn es eine Regierung machte, mussten es die anderen auch machen, schliesslich wollte man wie unser Bundesrat nur das Beste für die Volksgesundheit. Erwiesen ist, dass Massnahmen in Panik oft ohne genügend Wissensgrundlage getroffen werden. Nützt es mal nicht, muss man noch einen draufhauen, um ja recht zu bekommen und auf der sicheren Seite zu sein. Bei Medizinern fallen mir bei via Paracelsus-Forschung über hundert diesbezüglich gelesenen Titeln das wegen den heutigen sonstigen Ansprüchen ungenügende medizinhistorische Wissen auf. Ein solches ist keineswegs ein Luxus ist. In Genf wurden übrigens, wie in Obwalden, nur zu Pandemie-Zeiten Hexen verbrannt. Die Politik war nun einmal zum Aktivismus verdammt.

Wie auch immer: bei denjenigen, welche du Neoliberale nennst, gibt es einen Anteil an kritischen Köpfen. Eine Erfahrung, die ich auch schon mit Linken gemacht habe, wenn auch kaum bei denjenigen, um derentwillen Du Deine frühere Partei verlassen hast. Auch einer nebst Dir für mich besten Weggefährten im Kanton hat seine einstige Partei, die SVP, über die er zu hohen Funktionen in Kanton und Bund gelangte, aus mehr als nur begreiflichen Gründen verlassen. Dies schliesst aber nicht aus, dass Blocher bei bald einmal 1000 Sendungen Teleblocher auch mal zwischendurch recht haben könnte, siehe die Altersweisheit des diesbezüglich noch stärker gewesenen Hubacher.. Bichsel warnte mal davor, bloss aus Reflex immer das Gegenteil Blochers für richtig bzw. für stimmbar zu halten. Rein logisch ist es jederzeit möglich, dass das Gegenteil des Falschen auch falsch sein kann.

Herzliche Weihnachtsgrüsse

Dein Weggefährte beim Schreiben und Denken

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