Querbeet

Zitate Nr. 8
Ecclesia Catholica: Wirklich für alle, oder einfach alle?

In der NZZ vom 4. Dezember gefunden: Zwei Zitate, die sich auf verschlungenen Wegen ergänzen. Zum einen die bewusst retardierte Churer Bischofswahl, zum anderen Michel Houellebecq, der neuerdings Geschmack an den Darreichungsformen des Katholizismus findet. Vor allem am Zeremoniell in bunter Gewandung, Gesang und mit viel einnebelndem Weihrauch.

Zitat 1
«Dass nichtgeweihte, verheiratete Theologen oder sogar Frauen an die Stelle von Priestern treten könnten, bleibt für konservative Katholiken nicht einmal denkbar. Ebenso verwerflich sei, dass sich die Kirche für sexuelle Verhütung aussprechen oder gleichgeschlechtliche Beziehungen akzeptieren könnte. Der Churer Weihbischof Marian Eleganti, ein Bruder im Geiste von Generalvikar Grichting, behauptet denn auch: «Wenn man genau hinschaut, sieht man, dass die - profan gesehen - eher uneleganten Positionen von Eleganti lehramtlich unanfechtbar sind.»

Das mag sein. Durchaus anfechtbar ist hingegen das Lehramt. So wie jede Dogmatik und ihre Exegese anfechtbar sind. Vor allem auch aus der Perspektive der Ungläubigen, Unentschlossenen, Atheisten und Agnostiker.

Wobei auch in dieser gottlosen Gegend wieder bizarre Erkenntnisse zu destillieren sind, wenn wir in der NZZ lesen, dass der in seiner Privat-Vulgata badende Michel Houellebecq, neuerdings nicht müde wird, die Erscheinungsformen des Katholizismus zu loben.

Zitat 2
«Zwar versteht er sich als Agnostiker und sieht sich, zu seinem Bedauern, nicht in der Lage, wirklich zu glauben (…). Aber von der kollektiven Ergriffenheit, die er bei Messen erlebt, schwärmt er in den höchsten Tönen, und da er grundsätzlich meint, dass Religionen den Menschen aus der Vereinzelung lösen, ist er überzeugt, dass alles Glück seinem Wesen nach religiös ist

Nun ja, das mit dem Glück: Man kann das dem Wesen nach so haben wollen, nämlich theatralisch aufgebrezelt. Religionen sollen also den Menschen aus der Vereinzelung lösen oder gar erlösen? Auch das mag sein. Aber muss das auch sein?

Demnach Kollektiv statt Individualität, Glaubenskommune statt Gelehrtenkammer, Gebetsrausch statt Essayistik, Weihrauch statt glasklarer Gebirgsbach in Nietzsches Hochgebirge?


Ergänzung

Im Zusammenhang mit der Debatte über die Trennung von Kirche und Staat weise ich gerne auf einen Kommentar von Pirmin Meier hin, den Sie im Blog- und Textatelier Hess von Biberstein nachlesen können, wenn Sie hier draufklicken


Kommentare (2)

Pirmin Meier am 08.12.2020 10:54

Dem Kommentar von Martin Köchli ist eigentlich wenig hinzuzufügen, es sei denn, dass man sich in Graubünden am besten auf die dortigen Heiligen zurückzieht, wenn nicht in Chur mit Sankt Luzi und Sancta Emerita auf den Ahorn von Trun. Das beste Zeugnis eines Churer Bischofs zur einheimischen Religiosität und deren Hintergründe ist wohl enthalten im Buch "Die verzauberten Täler" von Bischof Caminada. Ist immer wieder aufgelegt worden.

Martin Köchli am 06.12.2020 19:13

Der christliche Gott will ja eigentlich nicht "über der Sache stehen", sondern in den Dingen und Wesen "sein" auch in den Menschen drin. "Was schaust du rum, der Himmel ist in dir / Und findest ihn nicht dort, du fehlst ihn für und für" schreibt Johannes Scheffler alias Angelus Silesius.

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