Kritik

Landunter für die FDP?

Nein, kein Wort mehr zu Corona. Sondern ausnahmsweise mal etwas Politik. Zum Beispiel zum Ständemehr, das immer dann bekrittelt wird, wenn das wahlstrategische Kalkül nicht aufgegangen ist. Oder die Fusionsbeiträge des Kantons, die laut Gegnern von Zusammenschlüssen gestrichen werden sollen.

Nichts mehr davon. Sondern ein Wort zur FDP, die angeblich sich «auf dem Weg in die Bedeutungslosigkeit» befände. Nach dieser bedeutungsschwangeren Analyse offeriert uns der Verfasser gleich noch ein paar Rezepturen, die an die homöo-pathischen Therapievorschläge eines gutmeinenden Briefkastenonkels seligen Angedenkens erinnern. In medias res dies:

Die Partei brauche dringend mehr inhaltliche Kreativität. Wunderbar. Aber mit welchen Inhalten bitte?

Sie brauche mehr strategische Fantasie. Ausgezeichnet. Aber mit welchen konkreten Visionen bitte?

Sie brauche das Erwachen ihrer Basis. Hervorragend. Aber mit welchem Wecker bitte?

Sie benötige Exponenten, die der schlechten Situation ins Gesicht sehen und eine Debatte um den Kurs der Partei anzetteln. Richtig. Aber welcher Politiker exponiert sich schon allzu heftig, wenn es um Wählerstimmen geht?

Die Partei braucht bessere Kommunikatoren. Blendend. Vor allem solche, die nicht dem drögen, gebetsmühlenartigen political speech zudienen.

Vor allem aber müsse die FDP zur Einsicht kommen, dass Nichtstun die Probleme nur verschärft. Oder verwässert? Und tun die wirklich nichts? Ich weiss es nicht.

Ich weiss nur, dass diese Partei in den 70-Jahren mit dem Slogan «Mehr Freiheit-Weniger Staat» (Ich korrigiere: «Mehr Freiheit, mehr Selbstverantwortung, weniger Staat».) einem rechtslastigen Neoliberalismus huldigte und sich in Brugg vor allem dadurch auszeichnete, dass ihre teilweise doch recht selbstbewussten Exponenten sich noch konservativer gaben, als jene im Kanton.


Kommentare (2)

Pirmin Meier am 06.12.2020 10:50

Eines ist sicher: Valentin Trentin ist, was bei mir und anderen hoffentlich nicht ausgeschlossen ist, seinerseits zum Teil enttäuschungsbedingt dank Enttäuschungsfähigkeit politisch reifer geworden. Sein Kommentar trifft den Nagel auf den Kopf, ohne dass er selber deswegen ein Freisinniger werden musste.

Dazu ist jedoch hinzuzufügen, dass mit Hans-Peter Widmer hier sich jemand zum Wort meldet, der in Sachen jahrzehntelanger Erfahrung und Reife sowie Hintergrundwissen gerade bei der FDP Aargau unter den Lebenden wohl heute unerreicht sein dürfte. Leider aber zum Altenteil gehörig. Dazu gehört bei ihm nicht einfach "Gesinnungskompetenz", sondern dass Hans-Peter ausser der Sicherheit politischer Orientierung auch die Details besser kennt als andere.

Ehrlich gesagt steht Hans-Peter Widmer politisch und bezogen auf unsere ganze schweizerisch-aargauische Kultur für eine Glaubwürdigkeit, die man weder bei den heutigen Verbundzeitungen noch bei "Blick" und im Grunde nicht mal mehr bei der NZZ usw. findet. Natürlich ist Hans-Peter Widmer nicht so "berühmt" wie sagen wir mal Frank A. Meyer oder ähnlich prominente, wohl auch, weil diese und andere neben Volltreffern auch davon lebten, dass sie - siehe nicht nur Ringier - gelegentlich die Sau rausliessen, zumal bei der Pflege von Feindbildern.

Letzteres ist in der Tat eine Eigenschaft, die für Hans-Peter Widmer als Journalist und Publizist lebenslänglich nicht kennzeichnend bleibt. Ich kannte Leute, die in ihm einen kleinen "Bünzli" aus der Aargauer Mitte gesehen haben. In Sachen Karriere brachte er es "nur" zum stellvertretenden Chefredaktor, wobei mir aber die Episode mit dem Tod seines Chefs Samuel Siegrist (1987) unvergesslich bleibt.

Wie auch immer: sowohl für die Geschichte der Publizistik im Aargau wie erst recht für den Freisinn bleibt für mich Hans-Peter einer, der politisch und publizistisch aus meiner Sicht höchsten ethischen Ansprüchen genügte, was man ihm wohl heute noch nachsagen kann. Selbst auch gelegentliche Meinungsverschiedenheiten, siehe die mit Trentin, sind da eher zweitrangig. Wünsche ihm in diesem Sinn eine gesegnete Zeit.

Pirmin Meier, Alt-Verfassungsrat des Kantons Aargau, wobei die Reihen jener acht Jahre lang tagenden Versammlung nun nach dem Tod von Altgemeindeschreiber und Altgemeindammann Ruedi Stutz (Neuenhof) sich abermals lichten. Auch über jenes eher stille Geschehen hat Hans-Peter Widmer seinerzeit zuverlässig berichtet.

Hans-Peter Widmer am 06.12.2020 08:54

Lieber Valentin, ich kann als Freisinnig/Liberaler gut mit deinen kritischen Anmerkungen zur FDP leben, zumal mir bewusst ist, dass sie einiges besser machen müsste, um ihren Wählerschwund zu stoppen. Aber auf eines möchte ich dich aufmerksam machen: Auch du hast den seinerzeitigen Slogan wie viele andere nicht ganz korrekt zitiert. Richtig hiess das Original, bei dessen Entstehung ich nahe dabei war: "Mehr Freiheit, mehr Selbstverantwortung, weniger Staat".

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