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Lesefrüchte-Cocktail

Warum in mir seit dem letzten Quatorze Juillet diese Marseillaise-Zeile von Rouget de Lisle nachhalllt, weiss ich nicht. Sie ist einfach da, fast jeden Morgen, aggressiv und unerbittlich: «Qu'un sang impur abreuve nos sillons.» (Unreines Blut tränke unsere Furchen!)

Dabei brodeln in mir weder Mordgelüste noch revolutionäre Tendenzen gegen Verräter und verschwörerische Könige. Auch fühle ich mich nicht in Fesseln und Eisen gelegt, erstarrt im Alltag flachstirniger Werbung und der Retortenmusik der Jingle-Sender und Event-Obsedierten.

Und schon gar nicht «gehackt», wie uns jüngst der Populär-Historiker Yuval Noah Harari glauben machen wollte. Denn es wäre erwiesen, sagt er, dass «einige Firmen und Staaten Technologien entwickeln und erlangen, um unsere Gefühle, Wünsche, Ängste und Gedanken mittels Algorithmen ermitteln, antizipieren und folglich manipulieren zu können.» Ja klar, das tun sie. Aber Mann, was für ein Ladenhüter.

Oder in der Sprache von Rouget de Lisle ausgedrückt: Unreine, digitale Brut soll angeblich unsere vollgetränkten Gehirnfurchen dazu bringen, Dinge zu tun, die wir gar nicht wollen. Freier Wille: in die elektronische Hölle damit! Resistenz: keine Chance? Von wegen: Nicht einmal ignorieren, gar nicht erst hinhören oder hinschauen. Diese Bildschirmwelt ist Surrogat. Früher sagte man dem Blendwerk.

Manchmal denke ich, es gibt drei Welten. Die Welt von Vollidioten für Vollidioten, also gelbe Presse, Privatsender und Kurpfuscher, die sich primär «mit Computer-spielen, Trivialitäten aus dem Alltag und Schminktipps» profilieren (Zitat: Simon M. Ingold).

Und dann ist da auch die Welt der Gleichgültigen, die im lauen Wasser und im Halbdämmer der Selbstzufriedenheit ihrem Ende entgegenschwimmen.

Aber noch gibt es sie, die dritte Variante: Die Welt jener, die sich nichts vordenken und vormachen lassen wollen. Die Welt der Renitenten, Insurgenten und der philosophischen Aufrührer, die sich nicht «hacken» lassen wollen. Oder wie es Peter Zeindler mal beschrieben hat: «Welt ist nur erträglich, wenn sie Kunst, Geschichte geworden ist.»


Nichts, was sich nicht fälschen liesse

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Auch lesenswert ist ein Beitrag in der NZZ vom 26. Juli 2019 von Marco Wehr: Das wirkliche Leben könnte eine Renaissance erfahren, weil die Virtualität immer mehr zum Betrug verkommt. «Die Systeme, die unsere Mimik und Sprache imitieren, werden in wenigen Jahren perfekt sein.» (Bettmann/Getty)

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