Home

«Hey du, Metternich!»

Jüngst beklagte sich ein guter Freund über die pandemische Duzerei. Ich denke, teilweise zu Recht. Auch wenn man sich nicht wünscht, dass wir uns förmlich benehmen wie am Wiener Kongress. Er schreibt folgendes:

«Wenn mich nächstens ein Bankbeamter duzt, werde ich ihn fragen, wo wir uns näher kennen gelernt hätten? Militär, Bauernhof, in einem Stall? Aber Moment, der Arme kann ja nichts dafür.»

Offenbar wird das jetzt Usanz. Die beiden Grossbanken wollen laut TA «lockerer werden». Neuer Verhaltens- und Dresscode: Nix Krawatte, dafür Sneakers. Und die CS möchte im Gegensatz zur liquidierten Neuen Aargauer Bank (NAB) ihre Kunden gerne duzen. Das wäre dann ein Grund mehr, die Kantonalbank vorzuziehen.

Mein E-Mail-Freund schreibt dazu noch: «Man sorgt sich vielleicht über den weiteren Verfall der Sitten. Über die Abnahme des Respekts vor Personen, die man nicht näher kennt. Oder überhaupt vor dem Mitmenschen.»

Das hat schon was für sich. Obschon ich nicht grundsätzlich gegen das Duzen eingestellt bin. In der Politik war und ist das Usanz. Das kann bisweilen hilfreich sein, wenn es gilt, ein Problem formloser als üblich zu beseitigen, oder ein Projekt zu beschleunigen.

Aber generell plädiere ich nach wie vor für etwas mehr Distanz, ohne gleich in steifem Formalismus zu ersticken.

Wenn die allgemeine Duzerei allerdings zu einem generalisierten Grobianismus führt, dann verzichte ich gerne und zitiere wieder mal Goethe: «Titel und Orden halten manchen Puff ab im Gedränge.»

Kleine Illustration künftiger Ereignisse am Bankschalter. (Quelle TA)


Next 79 duz sep 05


Kommentare (1)

Martin Köchli am 07.09.2020 08:21

Respekt und Anstand hängen weniger an Forme(l)n als an Inhalten. Lieber ein achtungsvolles Du als ein verächtliches Sie.

22. September 2025 oder
1 Vendémiaire 334, Jour du Raisin

26. September 2025

Le 1 Vendémiaire, dies natürlich nach dem calendrier révolutionaire. Das war damals zugleich Jahresbeginn aber auch der Start in den Erntemonat, und wie sinnvoll, auch der Tag der Traube und des Herbstbeginns. Ist nun eindeutig meine favorisierte Jahreszeit. Nicht nur der Trauben wegen. Denn sie ist nicht zu heiss und nicht zu kalt.
Weiterlesen

«Essays und Aphorismen II»
Ein Viertelstunden-Lesebuch
Reminder mit neuem Kommentar

25. September 2025

Es scheint gut aufgenommen zu werden. Die ersten freundlichen Reaktionen lassen darauf schliessen.
Weiterlesen

Kritik ohne Polemik: Ein Rückkommen

22. September 2025

Es stimmt schon, so eine treffsicher gezielte Verbalattacke macht ab und an schon sehr Spass. Aber bitte massvoll und human.
Weiterlesen