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«Er ist ein Idiot.»
Auch schon gehört? Und selber gesagt? Nett ist das nicht. Aber weiter nicht schlimm. Einfach nicht nachahmen. Ist nicht originell. Ein Idiot, eben ein Vollpfosten, wer es trotzdem tut.
Denn niemand möchte als Vollpfosten oder geistiges Kohle-Brikett apostrophiert werden, von dem es heisst, er sei noch zu dumm, um aus dem Bus zu gucken. Oder so doof, dass sie dauernd in einer Drehtür stecken bleibt.
Und doch. Manchmal darf man gesellschaftlich gesehen ein Idiot sein. Ich meine, bei dem kritischen Zustand der Gesellschaft. Eine hübsche Solonummer ist einem vor lauter Konformität verbogenen Nachbeter und langweiligen Anpasser vorzuziehen.
Auch darf man sich ganz im Sinne der Selbsterkenntnis, sich hin und wieder als «Idioten mit Sonderstatus» auslegen. Und ich gesteh' es jederzeit. Ich bin es auch schon mal gewesen. Mit Eichenlaub und Brillanten.
Allerdings war das dann eher in der ursprünglichen Bedeutung des Worte Idiot, quasi im Idiom der antiken Griechen. Da bedeutete «ho idiotes» nämlich noch «Privatmann», der es sich leisten konnte, kein öffentliches Amt zu bekleiden oder sich nicht am politischen Leben zu beteiligen. In unserem Land wäre das eine grosse Mehrheit. Diese allerdings als «idiotai» zu bezeichnen, wäre dann doch zu gewagt.
Leider ist dann aus dem harmlosen Privatier «der gewöhnliche Mensch, der Laie, der Sonderling und Solipsist» geworden. Oder weniger höflich: Die dumme Nuss, der Nullchecker.
Wir haben die Wahl: Konventionen, Korrektheit, Konformität, Opportunismus, Mitläufertum, Nachplappern und überzüchtetes Teamwork versus Individualität, Originalität, Opposition, Aussensicht, Widersprechen, Querdenken und Differenzieren.
Somit ist klar. Einen Idioten gescholten zu werden, kann wohl nicht ein Anlass sein, selbstzerknirscht und masochistisch sich in Zweifel und Sozialgymnastik zu ergehen. Die nachkoronare Ära rät zur Idiomatik des «Bleiben und stille bewahren das sich umgrenzende Ich» (G. Benn).
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Kommentare (1)
Aha, zum Satirikon und Kritikon jetzt auch noch ein Idiotikon – es bleibt spannend. Und allein zu dieser Rubrik gäbe es ja dann noch diverse Untertitel, wie die aus der Wirtschaftslehre schon lange bekannten „nützlichen Idioten“ und folglich auch das Gegenteil, dh. die unnützen oder konsequenterweise schädlichen Idioten, die man nach Möglichkeit beim Frühlingsputz sozusagen entrumpeln sollte.