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Haben Sozialdemokraten «die Motten»?

Umgangssprachlich stehen «die Motten» für die Tuberkulose, also die Schwindsucht. Und manchmal, aber immer seltener, werde ich gefragt, warum ich dieser Partei entschwunden bin. Das fragen die noch? Neben anderen erhellt dieses dekuvrierende Bild einen Teil der Gründe.

Mein Ablösungsprozess hat zwei Ausgangspunkte. Da war diese Pilgerreise nach Ostberlin von Hubacher und Vollmer in den frühen 80er-Jahren. Das hat schon sehr befremdet. Und später der listenverbindende Flirt mit den frisch aufkeimenden Grünen, welcher der Partei enorme Verluste brachte.

Nun scheint es, dass sich diese Tendenz in die Bedeutungsarmut fortsetzt. In Deutschland markant, in der Schweiz etwas dezenter.

Vergleicht man die Wählerschaft typologisch, dann erkennt man heute die Partei der 70er- und 80er-Jahre nicht mehr, obschon sie schon damals bereits von den Abkömmlingen, den Salonsozialisten der POCH, der RML und diversen grünen Topfpflanzen systematisch perforiert wurde. Das war dann wohl ein Grund mehr, sich diesen extrem linken Schwärmerseelen zu verweigern.

Und heute: Typologisch und politisch enthüllt sich eine Partei der Nachgiebigen und des Edelmenschentums. Eine Partei auch der Arrivierten und staatlich längst Assekurierten, dies als Spätfolge erfolgreicher Sozialpolitik und des vernünftigen Winterhurer Parteiprogramms von 1959, hinter dem man heute noch stehen könnte.

Und 2019? Monothematische Frauen, überzeichnete Kapitalismuskritik, weg mit der Armee, ein bisschen Rentenreform da und Krankenkassenprämien dort, Etatismus on the Rocks.

Es fehlen die grossen Bögen, ein helvetisches Godesberger-Programm. Und auch an scharfen Konturen. Man vergleiche mal Levrat mit einem Wehner, Brandt oder einem Schmidt. Ob «das Gesicht der SP Schweiz in den kommenden Jahren weiblich und jung sein müsse», gemäss Frau J. Fehr, mag ja sein. Hauptsache es ist ein Gesicht und dahinter ein kluger Kopf, unabhängig von Geschlecht, Alter und anderen Präferenzen.

Heute reicht ein bisschen Grün, der Staat soll's richten, oder dann gleich die EU, aber nur dann, wenn die abgedriftete Arbeiterschaft mit Sondermassnahmen flankiert wird.

Die wärmenden Felle schwimmen der Partei davon. Es gibt bereits Kommen-tatoren, die ihr Ende prognostizieren. Das allerdings wäre nicht aufs Innigste zu wünschen. Ein Korrektiv ist immer gut. Aber bitte eines mit politischer Potenz.


 

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