Querbeet
General-Anzeiger Brugg und Rundschau:
«Querbeet» vom 12. September 2024
«Manieren»

Man hört sie doch immer wieder, nämlich die Klage, die Leute hätten keine Manieren mehr. Nun, stimmt das? Und hatten sie je welche? Das Querbeet von heute will das klären.

1382 hatte Bischof William of Wykeham das Winchester College in Oxford (siehe Bild) gegründet. Im Wappen finden sich eine Mitra, drei Rosen und das Schulmotto: «Manners makyth man», Manieren formen den Mann, heute den Menschen.
Frage: Genügen im Leben gepflegte Umgangs-formen, der korrekt gebundene Windsor-Knoten, das passende Poschettli und messerscharfe Bügelfalten?
Mag sein, aber gelebte Ethik und mutige Intelligenz brauchts trotzdem, überzeugen für
sich alleine aber wenig, wenn Herrn Prollers «üble Manieren uns an die Nieren gehen». Wenn der z. B. mit vollem Mund spricht, die Suppe schlürft, den Mitmenschen frech ins Wort fällt oder im Zug in Wagenlautstärke telefoniert und mit vollem Cheeseburger-Mund nicht nur Verkaufszahlen verstreut, sondern auch die Sitze mit Essresten und Ketchup bekleckert.
«Das ist doch der, welcher Gratulationskarten nie beantwortet?» - «Ja genau, oder am Apéro Riche-Buffet der Firma Glättli AG sich stinkfrech nach vorne geellenbögelt und sich nach zehn Minuten vier Gläser Krimsekt reingespült hat?» - «Ja, und dann pirscht er sich an die Damen, um mit Anzüglichem Bruchlandungen hinzulegen.»
«Ein Rüpel, keine Manieren», hat eine Dame gezischt. Das war die Gattin von CEO Meierhans, dem VR-Präsidenten von Glättli AG, Schaumstoff-Matratzen, der sich später im Foyer an der Chefsekretärin Maria Blusenberg erfolglos als Casanova versucht hat.
Unmanierlich ist auch Prollers Absicht, Leute ins Vertrauen zu ziehen, um ein Gerücht über jemanden verbreiten zu lassen. «Ich sage das nur Ihnen», murmelt er dann. Oder wenn er über jemanden herzieht: «Er müsse sagen, dass Andere das auch so sehen.» Fragen Sie nach Namen, hat er sie vergessen.
Sieht es also schlecht aus für «Manners makyth man»? Nun ja, hat man keine, gilt man als protziger Holzpflock; hat man zu viele, als biegsamer Anpasser. Und schon gar nicht müssen wir uns manieriert benehmen wie ein Schnupftabak-Dosen-Rokoko-Baron. Und als Frau? Etwa wie Sahra Wagenknecht hochgeschlossene Kostüme tragen, Wert auf Umgangsformen legen und Goethe, Schiller und Thomas Mann lesen? Hat aber kaum jemandem geschadet.
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Kommentare (1)
Deine Kolumne hast Du nicht nur höchst manierlich, sondern auch gewohnt kulturhistorisch fundiert formuliert. Das ist für alle, die dies immer mehr vermissen, Balsam auf die Seele. Wahrscheinlich weniger für jene Generation, die Manieren als Ausdruck der Anpassung und Unterordnung verdächtigen und daher eher in die Kategorie Schimpfwort einreihen.