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Bulletin Nr. 206: Hoffen auf Indikatives

Man wird jetzt ab und zu gefragt, wie man das mit der Zukunft für die Ukraine sehe. Was soll man da bei dieser Nachrichtenlage antworten?

Eine Antwort: Bin ich denn Nostradamus? Schon der hat sich in prognostische Nebel gehüllt. Natürlich hat man Hoffnungen. Dass zum Beispiel die Verluste der russischen Invasionsarmee zu gross würden. Dass die sogenannten Profiteure und Oligarchen die Nase von diesem Pseudozaren voll hätten und ihn fallen liessen. Oder dass dieser auf geheimnsivolle Weise vom Erdboden verschwände.

Und noch so gerne hätte man sich den 12 Thesen des Historikers Francis Fukuyama angeschlossen, dass nämlich der Solist in der Untergangssymphonie im Kreml die Niederlage seiner Armee nicht überleben würde.

Denn Einiges späche dafür, dass sie unvermeidlich wäre. Russland steuere auf eine klare Niederlage in der Ukraine zu. Die russische Planung wäre inkompetent gewesen und hätte auf der fehlerhaften Annahme basiert, dass die Ukrainer Russland wohlgesinnt sind und dass ihr Militär nach dem Einmarsch sofort zusammenbrechen würde.

Die russischen Soldaten hätten für ihre Siegesparade in Kiew offenbar Ausgangs-uniformen mitgetragen, und nicht etwa zusätzliche Munition und Rationen.

Der stalinistische Bürolist hätte zum jetzigen Zeitpunkt den Grossteil seiner Streitkräfte für diesen Feldzug eingesetzt – es gäbe keine grossen Reserven, auf die er zurückgreifen und die er in die Schlacht werfen könnte. Die russischen Truppen sässen ausserhalb ukrainischer Städte fest, wo sie mit enormen Versorgungsproblemen und ständigen ukrainischen Angriffen konfrontiert wären.


Soweit Fukuyama. Unwillkürlich taucht die Redewendung vom Wunsch als Vater des Gedankens auf. Aber die Hoffnung bleibt, dass aus lauter Konjunktiven etwas Indikatives wächst.


Kommentare (1)

Beat Schirmer am 21.03.2022 10:36

Francis Fukuyama unterbreitet den geneigten Lesern eine Auswahlsendung von Thesen. Mit seiner weltbekannten These vom Ende der Geschichte lag er seinerzeit krass daneben. Im desaströsen Ukraine-Krieg will er sich nicht mehr gross aus dem Fenster lehnen. Für mich bringen seine Feststellungen keinen grossen Erkenntnisgewinn. Da kann beispielsweise der russische Schriftsteller Michail Schischkin ebenso viel beitragen.

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