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Von Dingen, die verschwunden sind.

Soll man sich ins heulende Elend fallen lassen, melancholische Trauergesänge anstimmen, sie elegisch beklagen oder sie als gegeben einfach hinnehmen, die Menschen und die Dinge, die es nicht mehr gibt?

Zum Beispiel die Leihbibliotheken, wo die dicken, leicht speckigen Wildwest- und Kriminalschwarten auf den lesehungrigen Jungen warteten, der am Wochenende mindestens deren zwei verschlungen hat und so problemlos das flüssige Lesen lernte, was ihn nie wieder losliess.

Oder die schwarzen Telephon-Wandapparate mit Wählscheibe, die schrill schellten, vielleicht pro Woche einmal benutzt wurden und jede Art von oberflächlich billigen Chats und Info-Zunamis unterbanden, weil man sich aufs Wesentliche beschränkten musste, denn Telefonieren war an sich nicht gerade billig.

Überhaupt die gemütliche PTT, wo Post, Telephon und Telegraph (mit PH) noch friedlich koexistierten, wo man auf den Wandapparat bisweilen ein halbes Jahr warten durfte, weil erst noch Drähte gespannt werden mussten, ein Brief 20 Rappen kostete und in der Tat noch Telegramme versandt wurden, wenn's pressierte und bevor der Telex aufkam.

Und nicht vergessen, einzelne «Postläufer» trugen die Briefe und Pakete auf einem gelben Damenfahrrad aus. Sie konnten bequemer ab- und aufsteigen. Die PTT leistete so einen Beitrag zu den Frühformen der Emanzipation.

Man erinnert sich veilleicht auch noch an die Röhren-Radiopparate, die über UKW verfügten, wenn man Glück und Geld hatte; und die jedes Mal brummend und summend warm laufen mussten, bis endlich der sonore Sprecher der Schweizerischen Depeschenagenur um Punkt halb ein Uhr im Hirschen oder im Bären die Nachrichten verlas und die Mittagessenden sofort verstummen liess. Auch so ein Phänomen, das verschwunden ist, nämlich die Klappe zu halten, wenn es geboten scheint.

Kurz: Etwas nostalgische Verklärung ist erlaubt, wenn auch sinnlos. Aber man hat halt manchmal solche Phasen, wenn uns das zeitgenössischein Geröhre und Gedröhne wird einmal an der Rand eines Wutanfalls oder in die Senke einer légèren Depression führt.


Kommentare (3)

Ernst Bannwart am 29.04.2021 12:04

Auch bei Dir macht sich erfreu- und offensichtlich der Frühling durch blühendes Spriessen bemerkbar. Die Nostalgie ist ja das Privileg der älteren Semester; die muss man sich wie die Falten ja im Laufe der Zeit mehr oder weniger schmerzhaft erarbeiten. Vielleicht ist Dir beim Coiffeur vis-à-vis vom Eisi auch schon das nostalgische Radio im Schaufenster aufgefallen – genau dieses mit dem „grünen Auge“ war unsere radiophone Errungenschaft, die mir manche väterliche Ohrfeige eingetragen hat, weil ich die von Radio Beromünster verordneten Schweigeminuten während der Nachrichten nicht immer einzuhalten vermochte. Und a propos Radio: am 8. Mai wird der begehenswerte nostalgische Radioweg vom Stift Beromünster zum Landessender (bzw. dessen verbliebenem kleinen Bruder) renoviert wiedereröffnet. Auf dem stündigen Weg kann die Geschichte vor Ort an sieben Radiostationen in Erinnerung gerufen werden, von den Anfängen über die geistige Landesverteidung bis hin zu Pleiten, Pech und Pannen.
Dies einfach als möglicher Ausflugstipp. https://www.beromuenster-radioweg.ch/
Und übrigens kämst Du dabei an der einzigen „Waldkathedrale“ vorbei – wohl die einzige Kirche, die Deine Zustimmung finden könnte, zumal dort sowohl Kaffee trinken als auch Vogelgezwitscher erlaubt sind.
Abschliessend danke auch für Deine muntere Sammlung an Coronawitzen – hilft bei der täglichen Konversation, die ja seit einem Jahr jegliche Unterhaltung über Militär, (Enkel)kinder, Hunde und Wetter verdrängt hat.
Zum „Mort subite“ kann ich auch noch etwas ergänzen: So heisst auch ein Bierlokal in Brüssel zwischen Hotel Radisson und einer Bank, in welchem früher das Würfelspiel gleichen Namens (in Frankreich „Piste“) gespielt wurde. Der Legende nach wurde dabei versucht, den Wochenlohn beim Würfeln aufzubessern, bevor man ihn (wenn überhaupt noch) zur Bank brachte.

Pirmin Meier am 28.04.2021 13:44

Zu den reizvollsten Dingen auf dem Verschwinde-Etat, wenn auch wegen ihres Gewichts und ihrer nach wie vor Nützlichkeit eher langsam gehören die oft künstlerisch aussergewöhnlich originell und metallgrafisch gekonnt gestalteten Dolendeckel. Zu deren Erhaltung, fürwahr ein Beitrag zum Thema "Der Fortschritt und das Museum" gibt es heute sogar einen Verein mit Website namens "Dolologie". Kommt dazu, dass die Sache noch einen aargauischen Hintergrund hat. Zu den führenden Dolologen der Schweiz gehört nämlich mein einstiger gymnasialer Studienkollege und späterer Endinger Bezirkslehrer Lukas Müller, dessen Wissen auf diesem Gebiet kaum zu toppen ist. Wie auch immer, Valentin hat einmal mehr ein tolles Thema angetippt, zu dem es hoffentlich noch weitere Diskussionsbeiträge gibt.

Persönlich vermisse ich als notorischer Vergesser des Handy-Aufladens oder überhaupt Handy-Muffel die Telefonkabinen, die bei stürmischen Wintern durchaus auch als Refugien dienen konnten. Die schönsten gab oder gibt es vielleicht noch in England, siehe auch den Film "The Ladykillers" von Mackendrick, der übrigens im Kino Royal einst wochenlang ausverkauft war, für mich noch immer die schönste Kriminalkomödie aller Zeiten. Der wichtigste Kommunikationskanal der Gaunerbande war damals, in London, nach wie vor die Telefonkabine, die dort freilich mit einer aussergewöhnlichen Dichte vorhanden waren. Dabei scheint ausgerechnet der Kampf gegen die Kriminalität das Verschwinden der Telefonkabinen beschleunigt zu haben, zumal Handys bekanntlich wie Computer alles andere als schnüffelsicher sind, was nebenbei im Bereich nicht unbedingt der gesetzlich verfolgten Kriminalität, aber immerhin bei den Sündern gegen das biblische Gebot "Du sollst nicht ehebrechen" zu neuen Verlegenheiten geführt hat. Wenn wir schon bei den Sündern sind: die Beichtstühle in den katholischen Kirchen, so weit sie nicht aus künstlerisch-innenarchitektonischen Gründen beibehalten werden, sind ebenfalls am Verschwinden, es sei denn, wie zum Beispiel in der St. Martinskirche Wittnau im Fricktal, der Sigrist verwendet sie zum Verstauen von Besen, Schüfeli zum Putzen, Reinigungsmaterial usw. , wie ich dies bei einer volkskundlichen Recherche zur Kenntnis genommen habe.

Beat Schirmer am 26.04.2021 09:47

Zu den verschwundenen Dingen: Bis gegen Ende des letzten Jahrhunderts verteilte die Post noch zweimal täglich Briefe (aber nur einmal Pakete). Bis Ende der 50er Jahre des letzten Jahrhunderts erschien die NZZ dreimal täglich, auf dem Platz Zürich durch den Pöstler in den Briefkasten geworfen.

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