Kritik

General-Anzeiger Brugg und Rundschau:
«Querbeet» vom 31. März 2022

Geschichte? Ein Auslaufmodell?

Geschichtskenntnisse helfen weiter oder entlarven die getürkten. Man denke da an diesen eiskalten Propheten des Heiligen Russischen Roms, Reanimator der Sowjetunion und zündelnden Lehrbuben von Hitler, Stalin und Iwan dem Schrecklichen.

Die Geschichte wird ihn richten, wie sie das noch immer getan hat. Das wäre ein Grund mehr, solide historische Grundkenntnisse zu haben und den KGB nicht mit dem Konsum- und Gewerbeverein von Beinwil i. Fr. zu verwechseln.

Zum Beleg fragen Sie mal Leute: «Wer war Napoleon der Dritte?» - «Klar doch, der ist doch in Russland fast erfroren. Der wäre ohne die Beresina-Schweizer nicht mehr nach Hause gekommen. Und der hat die Schlacht von Leipzig in der DDR verloren.» Alles falsch! Nachsitzen oder Bismarck und Eugénie fragen!

Also doch: Die Geschichtskenntnisse liegen partiell im Argen. 2004 studierten noch 4300 Personen Geschichte. Heute sind es noch 2650. Im Kultur-Kanton sollen 320 Lektionen Geschichte pro Jahr im neuen Lehrplan auf die Hälfte reduziert worden sein.

Sinkt also das historische Bewusstsein auf das Niveau einer Maulwurf-Population? Verwechseln nicht nur Teenager Schuschnigg mit Schaschlik, Président Pompidou mit der Marquise de Pompadour und Jonas Furrer mit einem der Chefs von einer Transportfirma?

Da kämen melancholische Irritationen hoch, wenn Marignano für eine Traubensorte und Verdun für eine Grasart gehalten würden, Fraubrunnen für eine Thermalquelle und Overlord für eine Zigarettenmarke.

Und Alexander als Schlagersänger, Karthago als Kakaosorte, die Langobarden als Handwaffen, Robespierre als Modeschöpfer, Bonaparte als Mitglied der 'Ndrangheta, Bismarck als Herings-Grosshändler und «The Third Reich» als Episode von «Star Trek» verstanden würden.

Nebenbei: Fragen Sie mal einen Jungspund, was er über Stauffenberg weiss. Eine Ortschaft bei Lenzburg? Oder Himmler? Eine Delphinart?


Kommentare (3)

Heinrich Kümmerle am 02.04.2022 09:38

Regt zum Nachdenken an. Danke.

Valentin Trentin am 31.03.2022 17:32

Nachtrag und Entschuldigung
In einem meiner Texte verwende ich das Wortspiel mit Put-in und Put-out. Dieser leichtsinnige Vorgang gehört in den Bereich des «fremden Federschmucks», denn das Urheberrecht für diesen Einfall liegt eindeutig bei Ernst Bannwart. Als Doktorand müsste man jetzt wegen «Zitat-Vergesslichkeit» vermutlich den Dr. phil. canzeln.

Ernst Bannwart am 31.03.2022 17:01

Vorab ziehe ich den Hut vor Deinem wunderbaren geschichtlichen Exkurs, der einmal mehr nicht nur profunde Kenntnisse der Historie verrät, sondern auch zeigt, dass man damit tatsächlich etwas nützliches anfangen kann. Erst recht, wenn sie so wunderbar durchs satirische Verwechselbad gezogen wird. Ich bin jetzt einfach plötzlich nicht mehr sicher, ob der Schiller eigentlich eine vorwiegend bündnerische Weinspezialität oder eine pescatorische Locke ist; oder ob mir der Name aus anderen Gründen bekannt ist. Werde aber wohl ohnehin zu einigen Deiner erwähnten Protagonisten noch etwas nachsitzen müssen. Bei einem feinen Napoléon Cognac sollte das aber weiter kein Problem sein. (...)

Nun noch mit gebührendem gedanklichem Abstand zu einem anderen Thema: Unter https://www.gugelmann-museum.ch/ findet man einen schönen Einblick ins Museum (samt virtuellem Rundgang, wobei eben ja der Clou in der Vorführung der einzelnen Objekte liegt) sowie alles Mögliche rundherum. Ich habe für Paul übrigens in einer geistigen Anwandlung ein episches Gedicht gewidmet, das sozusagen synchron zur Ausstellung läuft und eigentlich auch nur so entsprechend Sinn macht.

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